Insight: Nach 15 Monaten – HP3 macht Fortschritte

Nach 15 Monaten, macht das HP3 (Marsmaulwurf) Experiment nach diversen Rückschlägen, wieder Fortschritte.

Marsmission Insight: Bremer Experiment auf dem Mars gerät ins Stocken

Seit einem Jahr soll sich ein Experiment in den Marsboden hämmern – doch daraus wurde bislang nichts. Beim Marsmaulwurf herrscht noch immer Stillstand. Die Forscher versuchen, das Beste draus zu machen.

Die Aufnahme der Europäischen Weltraumagentur ESA/ESOC zeigt den Planeten Mars.
Die Aufnahme der Europäischen Weltraumagentur ESA/ESOC zeigt den Planeten Mars. (picture alliance / dpa)

Er will einfach nicht. Anstatt immer tiefer in den Boden einzudringen, macht der Maulwurf nichts. Stillstand. Pause. Die Arbeiten auf dem Mars ruhen. Dabei waren sie vor fast einem Jahr mit großen Hoffnungen gestartet.

Es war Ende Februar im vergangenen Jahr, als das Maulwurf-Experiment als Teil der Mission Insight auf der Marsoberfläche abgesetzt wurde. In Bremen, rund 230 Millionen Kilometer entfernt, war das ein Grund zur Freude; gefeiert wurde mit Kuchen. Endlich konnte das losgehen, wofür 20 Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) jahrelang gearbeitet hatten. Denn HP3 – so heißt der Maulwurf offiziell – wurde in Bremen konzipiert. Die Wissenschaftler erhoffen sich dadurch, viel Neues über den Mars zu erfahren.

In der Geschichte der Raumfahrt ist noch nie etwas so tief in den Boden des roten Planeten eingedrungen, wie es der Maulwurf machen sollte. Die Ergebnisse, die HP3 liefern soll, sollen Aufschluss über Wärmeleitfähigkeit des Bodens geben. Laut Plan zieht das Bremer Experiment dafür ein mit Temperatursensoren bestücktes, fünf Meter langes Kabel hinter sich in den Untergrund hinein. Damit sollen an verschiedenen Stellen die Temperaturen im Marsboden gemessen werden und wie sie sich verändern. Ergänzend nimmt ein Infrarotstrahlungsmesser, der am Insight-Landemodul angebracht ist, die Temperatur der Marsoberfläche.

Eigentlich sollte der Bremer Maulwurf fünf Meter tief im Marsboden sein. Doch daraus wurde nichts; der 40 Zentimeter lange Stab hat sich immer wieder zurück an die Oberfläche bewegt. Auf dem Bild ist zu sehen, wie der Marsmaulwurf halb im Boden
Eigentlich sollte der Bremer Maulwurf fünf Meter tief im Marsboden sein. Doch daraus wurde nichts; der 40 Zentimeter lange Stab hat sich immer wieder zurück an die Oberfläche bewegt. Auf dem Bild ist zu sehen, wie der Marsmaulwurf halb im Boden steckt. Ein rechteckiger Abdruck zeigt die Stelle, an der die Schaufel der Insight-Sonde auf die Oberfläche gedrückt hat – um dem Stab zu mehr Reibung zu verhelfen. (NASA/JPL-Caltech)

„Jetzt ist aber erstmal alles auf Halt gestellt“, sagt Marco Scharringhausen aus dem HP3-Projektteam vom Bremer DLR. Denn kurz nach dem Absetzen kamen die ersten Probleme: Zwar hatte der Maulwurf – der äußerlich kein bisschen an seinen tierischen Namensgeber erinnert, sondern eher an eine Mini-Rakete – angefangen, sich langsam in den Boden zu hämmern. Doch er kam nicht so weit wie gehofft. Nach 30 Zentimetern war Schluss – eigentlich sollte HP3 fünf Meter in den Boden eindringen.

Eine gefährliche Situation

Es gab Rettungsversuche; bei der Nasa in Kalifornien wurden mögliche Ursachen erforscht. Doch auch das half nicht. Maximal 40 Zentimeter ist der Maulwurf in den Boden eingedrungen. Weitere Hammerschläge haben dafür gesorgt, dass sich HP3 wieder Richtung Oberfläche bewegt hat – eine gefährliche Situation. Denn wenn der Maulwurf erstmal aus dem Loch ist, gibt es keinen zweiten Versuch, sagt Scharringhausen. Zwar hat die Insight-Sonde, die das Experiment ausgesetzt hat, einen mechanischen Arm. Der sei aber zu grob, um den Stab wieder in das Loch zu setzen. Scharringhausen vergleicht es mit dem Versuch, mit Fäustlingen dünnes Garn in ein Nadelöhr einzufädeln.

Warum der Maulwurf sich nicht in den Marsboden hämmert, ist unklar. Sehr wahrscheinlich ist es, dass der Stab nicht genug Halt hat. Denn damit er mittels kleiner Hammerschläge ins Gestein vordringen kann, braucht es ein Mindestmaß an Reibung. Die wurde zwischenzeitlich mit einem Schaufelarm der Sonde erzeugt, der seitlich gegen den Maulwurf gedrückt hat. Viel gebracht hat das allerdings nicht.

Dass die Maulwurf-Mission nicht einfach wird, das war schon vorher klar. Was, wenn HP3 auf dem Weg in den Boden auf einen harten Stein trifft? Was, wenn der Maulwurf gar nicht erst richtig auf der Marsoberfläche abgesetzt werden kann? So weit von der Erde entfernt gibt es nur wenige Möglichkeiten, ins Geschehen einzugreifen.

Mission ist nicht gescheitert

Immerhin: Auch wenn es gerade nicht gut aussieht, gescheitert ist die Mission für Scharringhausen und seine Kollegen nicht. „Wir lernen notgedrungen“, sagt der Mathematiker. Die Forscher erfahren viel über die Zusammensetzung des Marsbodens – auch wenn das nicht unbedingt das Ziel von HP3 gewesen sei. Laut Scharringhausen gibt es viele unterschiedliche Schichten – „manche pudrig wie Mehl, andere hart wie nasser, verdichteter Sand“.

Natürlich sei es schade, dass die Mission bislang nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, sagt Scharringhausen. Geknickt von den Forschern sei aber niemand. „Wir machen das Beste draus.“ Denn schließlich funktioniere die Konstruktion, technisch gebe es keine Probleme. Im Gegenteil: Der Maulwurf habe seine eigentliche Lebensdauer schon weit überschritten. Ärgerlich sei lediglich, dass die Bedingungen auf dem Mars anders seien als gedacht. Scharringhausen bringt es aber auf eine einfache Formel. „Das ist eben Wissenschaft.“

Die Marsmission Insight

Nach rund einem halben Jahr Reise landete am 26. November die Insight-Sonde der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa auf dem Mars. Mit an Bord war das Instrument HP3 (Heat Flow and Physical Properties Package), das in Bremen entwickelt wurde.

Ziel von Insight ist es, die frühgeologische Entwicklung des Mars zu erforschen. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, ein Verständnis dafür zu bekommen, wie erdähnliche Planeten des Sonnensystems entstanden sein könnten, beispielsweise der Merkur, die Venus aber auch die Erde selbst. Vergangenen April gelang es unter anderem, zum ersten Mal ein Marsbeben aufzuzeichnen. Die Mission ist auf ein Marsjahr angelegt, etwa zwei Erdenjahre. Die Kosten liegen bei 650 Millionen Euro.

Heat Flow and Physical Properties Package (HP3)

Wäremflusssonde

Das DLR Institut für Planetenforschung entwickelt die in-situ Wäremflusssonde HP3, die im Rahmen der NASA InSight Mission den Wärmefluss des Mars bestimmen soll (Abbildung 1). InSight wird 2016 in der südlichen Elysium-Region des Mars landen, um das tiefe Innere des Planeten zu erkunden. Neben der Wärmeflusssonde besteht die wissenschaftliche Nutzlast aus einem Seismometer, sowie einem Geodäsie-Experiment, mit dem der Rotationszustand des Planeten genauestens vermessen werden soll. Die Kombination von seismischen, geodätischen und thermischen Messungen erlaubt einen Einblick in die Schichtung von Kruste und Mantel des Mars sowie den Aufbau seines Kerns.

Abbildung 1: Künstlerische Darstellung des InSight Landers mit ausgesetzten Instrumenten. Links die HP3 Wärmeflusssonde, rechts im Bild das Seismometer. Das Geodäsie-Experiment sowie eine Kamera befinden sich auf dem Lander-Deck. Eine weitere Kamera ist am Roboterarm montiert.

Das HP3 Instrument basiert auf dem MUPUS Sensor (Multi-Purpose Sensor), der zur Zeit an Bord der ESA Rosetta Mission auf dem Weg zum Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko ist, sowie dem PLUTO Probennehmer, der auf der ESA MarsExpress Mission zum Einsatz kommen sollte. Um Messungen unterhalb der Planetenoberfläche durchführen zu können, besteht HP3 aus einem sogenannten Maulwurf (engl. „Mole“), der mit Hilfe eines Hammermechanismus ein mit Temperatursensoren bestücktes Kabel in den Boden zieht. Dabei soll eine Zieltiefe von 5 m erreicht werden, um den Temperaturgradienten im Untergrund bestimmen zu können. Des Weiteren ist der Mole mit Heizfolien ausgestattet, die eine Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit nach dem Prinzip der Nadelsonde erlauben (Abbildung 2).

Abbildung 2: HP3 System, bestehend aus dem HP3-Mole (unten im Bild), in dessen Inneren ein Hammermechanismus für das Vordringen in den Boden sorgt, sowie das mit Temperatursensoren bestückte Kabel (gelb), mit dem der thermische Gradient im Untergrund bestimmt werden soll. Die Wärmeleitfähigkeit des Bodens wird durch Heizen des Moles sowie die Messung der Selbsterwärmungskurve bestimmt. Ein weiteres Kabel (grün) sorgt für die elektrische Verbindung zum Lander.

Im Schnitt ein Erdbeben pro Tag auf dem Mars

Der Planet Mars ist seismisch aktiv. Das zeigen erste wissenschaftliche Analysen von Daten, die der NASA-Marslander InSight von der Marsoberfläche zur Erde gefunkt hat. Im Schnitt konnte das Seismometer SEIS jeden Tag ein Erdbeben registrieren. Von der Auswertung der Aufzeichnungen verspricht sich das Team wichtige Informationen über das Innere des Mars.

SEIS

Das Seismometer SEIS von InSight auf dem Mars. Bild: NASA/JPL-Caltech  [Großansicht]

Am 26. November 2018 setzte der InSight-Landerr NASA in der Region Elysium Planitia erfolgreich auf dem Mars auf. Siebzig Marstage später begann das Seismometer SEIS der Mission, Erschütterungen des Planeten aufzuzeichnen. Ein Team von Forschenden und Ingenieuren der ETH Zürich unter der Leitung von ETH-Professor Domenico Giardini hat die Steuerelektronik für SEIS entwickelt und ist für den „Marsbebendienst“ verantwortlich. Letzterer ist in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich für die tägliche Interpretation der vom Mars gesendeten Daten zuständig.

Bis Ende September 2019 hatte InSight 174 Ereignisse aufgezeichnet. Zwischenzeitlich wurden die Messungen fortgesetzt und insgesamt über 450 Marsbeben beobachtet, die noch nicht alle detailliert ausgewertet werden konnten. Das entspricht im Durchschnitt etwa einem Ereignis pro Tag. Die Daten ermöglichen den Forschenden festzustellen, wie sich seismische Wellen durch den Planeten ausbreiten. Ähnlich wie Röntgenstrahlen durchdringen sie das Planenteninnere und machen dessen Beschaffenheit sichtbar.

or der Landung von InSight hatten Forschende ein breites Spektrum an Modellen entwickelt, die aufzeigen, wie sich die innere Struktur des Planeten möglicherweise entwickelt hat. Die aufgezeichneten Marsbeben erlauben es nun bereits nach wenigen Monaten besser zu verstehen, wie der Planet aufgebaut ist und räumen bisher bestehende Ungewissheiten aus.

Marsbeben ähneln Erdbeben, haben in der Regel aber kleinere Magnituden. Die 174 genauer untersuchten Marsbeben lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Zur ersten gehören 24, niederfrequente Erschütterungen mit Magnituden zwischen 3 und 4, deren Wellen sich durch den Marsmantel ausbreiten. Zur zweiten gehören 150 Ereignisse mit vergleichsweise kleineren Magnituden, geringerer Herdtiefe und Wellen mit höherer Frequenz, die in der Kruste des Mars gefangen bleiben.

„Marsbeben weisen ähnliche Eigenschaften auf, wie sie bereits während der Apollo-Ära auf dem Mond beobachtet wurden. Sie dauern lange (10 bis 20 Minuten), da ihre Wellen aufgrund von Eigenheiten der Marskruste stark streuen“, erläutert Giardini. In der Regel, so Giardini, ist es schwierig, Marsbebendaten zu interpretieren. In den meisten Fällen kann man nur die Entfernung bestimmen, aber nicht die Richtung, aus der die Wellen kommen.

InSight leitete nun eine neue Ära der planetaren Seismologie ein. Die Leistungsfähigkeit des SEIS hat bislang die Erwartungen übertroffen. Insbesondere in Anbetracht der rauen Bedingungen auf dem Mars, die jeden Tag von Temperaturen zwischen minus 80 und 0 Grad Celsius und von starken Winden gekennzeichnet sind. Vor allem tagsüber schütteln diese Winde den InSight-Lander und seine Instrumente, was zu vielen Störgeräuschen führt. Bei Sonnenuntergang legen sich aber die Winde und ermöglichen es, die bisher leisesten seismischen Daten des gesamten Sonnensystems aufzuzeichnen.

Die von SEIS erkannten Beben haben sich daher vorwiegend in den ruhigen Nach-stunden ereignet. Die schwierigen Bedingungen machen es zudem herausfordernd, seismische Ereignisse von anderen Signalen zu unterscheiden, die von Bewegungen des Landers, von anderen Instrumenten oder von der Atmosphäre stammen.

SEIS erfasst auch das Hämmern der Wärmeflusssonde HP3 (ein weiteres InSight-Experiment) sowie vorbeiziehende Wirbelwinde (Staubteufel). Dies ermöglicht es, die physikalischen Eigenschaften der unmittelbar unter SEIS liegenden Bodenschichten abzubilden. Daher ist bekannt, dass SEIS auf einer dünnen, sandigen Schicht von wenigen Metern Tiefe gelandet ist, die in Mitte eines 20 Meter großen alten Einschlagkraters liegt.

In größerer Tiefe weist die Marskruste Eigenschaften auf, die mit den kristallinen Grundgebirgen der Erde vergleichbar sind. Sie scheint aber stärker zerklüftet zu sein. Die Art und Weise wie sich die seismischen Wellen ausbreiten legt zudem nahe, dass der obere Mantel diese im Vergleich zum unteren Mantel stärker dämpft. Bisher wurden in der Nähe der Station keine Marsbeben aufgezeichnet, was darauf hindeutet, dass InSight in einer seismisch eher ruhigen Region des Mars gelandet ist.

Die drei größten Ereignisse ereigneten sich in der Region Cerberus Fossae, die etwa 1500 Kilometer entfernt liegt. Dabei handelt es sich um ein tektonisches Grabensystem, das durch das Gewicht des Elysium Mons, des größten Vulkans in der Elysium-Planitia-Region, verursacht wurde. Es besteht daher die starke Vermutung, dass die seismische Aktivität auf dem Mars nicht nur eine Folge der Abkühlung und damit des Schrumpfens des Planeten ist, sondern auch durch tektonische Spannungen verursacht wird.

Die gesamte auf dem Mars freigesetzte seismische Energie liegt zwischen derjenigen der Erde und derjenigen des Mondes. In Verbindung mit anderen Messungen sind die mit SEIS gewonnen Daten zudem sehr nützlich, um meteorologische Prozesse auf dem Mars besser zu verstehen. Das Seismometer erfasst nicht nur Winde, sondern reagiert auch auf atmosphärischen Druck, was es erlaubt, die für den Mars charakteristischen meteorologischen Phänomene zu bestimmen. Dazu gehören unter anderem die nachmittäglich am Lander vorbeiziehenden Wirbelwinde.

Diese und weitere Resultate wurden nun in mehreren Artikeln veröffentlicht, die in der Zeitschrift NatNature Geoscience veröffentlicht wurden.