Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, ist jetzt noch schärfer. Soziale Netzwerke müssen potentiell strafbare Inhalte nicht nur löschen, sondern auch ans Bundeskriminalamt melden.

Wer online Hassbotschaften verbreitet oder Menschen bedroht, muss künftig mit schärferer Verfolgung rechnen. Der Bundesrat beschloss am Freitag in Berlin das neue Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet. Der Bundestag hatte den Neuregelungen bereits Mitte Juni zugestimmt.
So sollen soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter Posts etwa mit Neonazi-Propaganda, Volksverhetzung oder Mord- und Vergewaltigungsdrohungen künftig nicht mehr nur löschen, sondern sofort dem Bundeskriminalamt (BKA) melden. Um die Täter schnell zu identifizieren, müssen sie auch IP-Adressen weitergeben. Bei besonders schweren Straftaten wie Terrorismus und Tötungsdelikten sollen nach einem Richterbeschluss auch Passwörter verlangt werden dürfen. Sind die Passwörter bei den Anbietern verschlüsselt gespeichert, werden sie auch genauso übermittelt.
Drohungen mit Körperverletzung oder sexuellen Übergriffen oder Ankündigungen, etwa das Auto anzustecken, werden künftig ähnlich behandelt wie Morddrohungen, und zwar als Straftaten. Für solche Äußerungen im Internet drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren, bei öffentlichen Morddrohungen von bis zu drei Jahren. Auch Beleidigungen im Internet sollen mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.

Derzeit ist es nur strafbar, wenn man bereits begangene Taten öffentlich befürwortet, künftig gilt das auch für angekündigte Delikte. Neben Bundes- und Landespolitikern werden künftig zudem auch Kommunalpolitiker ausdrücklich unter den besonderen Schutz des Strafgesetzbuches gestellt. Für Angriffe auf medizinisches Personal in Notaufnahmen, auf Ärzte und Pfleger, sollen künftig bis zu fünf Jahre Haft drohen, wie heute schon für Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Soldaten.
Wenn es für eine Tat antisemitische Motive gibt, soll das künftig strafverschärfend wirken. Und schließlich können Lokalpolitiker, Ehrenamtler und Journalisten künftig leichter Auskunftssperren für ihre Daten im Melderegister erwirken und so verhindern, dass Unbekannte ihre Adresse herausfinden. Derzeit kann jeder den vollen Namen und die Anschrift anderer bei den Behörden erfragen. Wenn es ein «berechtigtes Interesse» gibt, sind auch Auskünfte etwa zu Familienstand und Staatsangehörigkeiten möglich. https://bnn.de/nachrichten/politik/gesetz-gegen-hass-und-hetze-im-netz-nimmt-letzte-huerde
Bundesrat Beschluss
Hass und Hetze im Internet bekämpfen
Der Bundesrat hat am 3. Juli 2020 das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet gebilligt, das der Bundestag am 18. Juni 2020 verabschiedet hatte.
Zunehmende Verrohung der Kommunikation
Ziel ist es, die Strafverfolgung von Hasskriminalität im Internet zu verbessern. Dort und besonders in den sozialen Medien sei eine zunehmende Verrohung der Kommunikation zu beobachten – dies gefährde die Meinungsfreiheit, die der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen habe, begründet der Bundestag seinen Beschluss.
Meldepflicht für Anbieter
Anbieter sozialer Netzwerke müssen künftig ein System einrichten, um bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt zu melden. Die Meldepflicht betrifft Inhalte, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für die Erfüllung eines Straftatbestandes gibt und die anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in den sozialen Medien haben können.
Kinderpornografie und Hetze gegen Verstorbene
Erfasst sind auch kinderpornografische Inhalte und das Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener. Hintergrund sind die Erfahrungen aus der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019: sie zeigten, wie Hetze im Netz mittlerweile auch in dieser Form ihren Ausdruck findet, heißt es in der Gesetzesbegründung.
Neue Tatbestände und höhere Strafen
Der Bundestagsbeschluss ändert an verschiedenen Stellen das Strafgesetzbuch. So ist künftig auch
Androhung einer gefährlichen Körperverletzung strafbar. Auch die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten wird sanktioniert.
Öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften getätigte beleidigende Äußerungen können künftig im Höchstmaß mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Der Tatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens gilt bis hin zur kommunalen Ebene.
Antisemitische Motive
Unter dem Tatbestand Bedrohung werden künftig auch die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert vom Tatbestand erfasst. Bei der Strafzumessung werden antisemitische Motive eines Täters besonders berücksichtigt.
IP-Adressen-Abfrage
Das Bundeskriminalamt ist im Rahmen seiner Zentralstellenaufgabe künftig berechtigt, bei Telemediendiensteanbietern die Login-IP-Adressen von Urhebern strafbarer Internetinhalte abzufragen.
Unterzeichnung – Verkündung – Inkrafttreten
Mit der Billigung des Bunderates ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt und kann anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll am Tag darauf in Kraft treten. https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/20/992/11.html#top-11
Gesetzespaket gegen Hass und Hetze ist ein Gesetzespaket zum Schutz der Demokratie
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:
„Das heute vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetzespaket gegen Hass und Hetze ist für die Verteidigung unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats von zentraler Bedeutung.
Das Gesetzespaket dient dem Schutz aller Menschen, die von Rassisten und Rechtsextremisten bedroht und diffamiert werden. Wir senden damit das ganz klare Signal aus, dass wir diese Taten nicht hinnehmen und uns mit Nachdruck dagegen zur Wehr setzen.
Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der antisemitische Terroranschlag in Halle, die rassistischen Morde in Hanau und die hohe Zahl weiterer rechtsextremistischer Gewalttaten haben gezeigt, wie dringend nötig unser Gesetzespaket ist, um die Spirale von Hass und Gewalt zu durchbrechen.
Wir geben der Justiz die notwendigen Instrumente, um gegen Hasskriminalität endlich konsequent vorgehen zu können. Dafür verschärfen wir das Strafrecht deutlich. Mit der Meldepflicht der sozialen Netzwerke an das Bundeskriminalamt bei Volksverhetzungen, Mord- oder Vergewaltigungsdrohungen sorgen wir dafür, dass Ermittlungen schnell beginnen. Wer hetzt und droht, muss mit Anklagen und Verurteilungen rechnen.
Das sind entschlossene Schritte gegen Menschen- und Demokratiefeinde, die ein gefährliches Klima der Gewalt schüren. Aus Worten werden Taten.“
Das Gesetz enthält folgende Kernpunkte:
1. Änderungen des Strafgesetzbuchs
- Bedrohung (§ 241 StGB): Bislang ist nach § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen – meist die Morddrohung – strafbar. Künftig werden auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert, die sich gegen die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen richten, strafbar sein. Der Strafrahmen wird bei Drohungen im Netz bei bis zu zwei Jahren – und bei der Drohung mit einem Verbrechen, die öffentlich erfolgt, bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe liegen. Bislang ist der Strafrahmen bei Bedrohungen bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
- Beleidigung (§ 185 StGB): Öffentliche Beleidigungen sind laut und aggressiv. Für Betroffene können sie wie psychische Gewalt wirken. Wer öffentlich im Netz andere beleidigt, kann künftig mit bis zu zwei statt mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden können.
- Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB): Der besondere Schutz des § 188 StGB vor Verleumdungen und übler Nachrede wird künftig ausdrücklich auf allen politischen Ebenen gelten, also auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, und auch auf den Schutz vor Beleidigungen ausgedehnt.
- Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB): Künftig wird auch die Billigung künftiger schwerer Taten erfasst sein, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies richtet sich gegen Versuche, ein Klima der Angst zu schaffen. Das öffentliche Befürworten der Äußerung, jemand gehöre „an die Wand gestellt“ ist ein Beispiel für die künftige Strafbarkeit.
- Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB): Hier wird künftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung und von schweren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung umfasst sein.
- Antisemitische Tatmotive werden ausdrücklich als strafschärfende Beweggründe in das Strafgesetzbuch aufgenommen (§ 46 Abs. 2 StGB).
- Schutz von Notdiensten (§ 115 StGB): Mancherorts ist es Alltag, dass Rettungskräfte, Ärzte und Pfleger attackiert werden. Rettungskräfte im Einsatz sind erst vor zwei Jahren strafrechtlich besser vor Attacken geschützt worden. Dieser Schutz wird nun auf Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen ausgedehnt.
2. Pflicht sozialer Netzwerke zur Meldung an das Bundeskriminalamt
Soziale Netzwerke werden strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in bestimmten schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen, damit die strafrechtliche Verfolgung ermöglicht wird. Um Täter schnell identifizieren zu können, müssen soziale Netzwerke dem BKA auch die IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war, mitteilen. Die Meldepflicht wird folgende Straftaten umfassen:
- Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB)
- Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB) sowie Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB)
- Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB)
- Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)
- Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit (§ 241 StGB)
- Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen (§ 184b StGB)
Beleidigungen, übe Nachrede und Verleumdung sind nicht von der Meldepflicht umfasst. Soziale Netzwerke sollen allerdings künftig Nutzerinnen und Nutzer darüber informieren, wie und wo sie Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen können.
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2020/061820_GesetzHassundHetze.html
Justizministerin Lambrecht über NetzDG:„Wir müssen nachbessern“
Christine Lambrecht plant, die Strafverfolgung von Hassrede zu vereinfachen. Außerdem will sie die Rechte von Nutzern sozialer Netzwerke stärken. Interview (Fragen und Antworten).
taz: Frau Lambrecht, Sie wollen soziale Netzwerke verpflichten, rechtswidrige Hass-Postings dem Bundeskriminalamt zu melden. Wo in der Welt gibt es so etwas?
Christine Lambrecht: Eine solche Meldepflicht für strafbaren Hass gibt es unseres Wissens bisher nirgends. Deutschland wird Vorreiter sein.
Sind wir besonders straffreudig?
Nein. Aber wir haben mehr Erfahrung. In Deutschland wurde schon 2017 das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken – kurz „NetzDG“ – beschlossen. Seit 2018 müssen Anbieter sozialer Netzwerke wie Facebook dafür sorgen, dass offensichtlich rechtswidrige Hass-Postings in der Regel binnen 24 Stunden gelöscht werden. Auch dabei waren wir Vorreiter.
Hat sich das NetzDG nicht bewährt?
Doch. Wir müssen aber in zwei Richtungen nachbessern. Zum einen genügt es nicht, strafbare Inhalte nur zu löschen, wir wollen auch die Strafverfolgung sicherstellen. Deshalb die Meldepflicht. Und wenn ein Netzwerk etwas zu Unrecht löscht, müssen wir die Rechte der betroffenen Nutzer stärken. Für beides habe ich Gesetzentwürfe vorgelegt.
Beginnen wir mit der Strafverfolgung. Für wen gilt die neue Anzeigepflicht?
Die Meldepflicht gilt für alle Anbieter sozialer Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern in Deutschland: Facebook, Youtube, Twitter, Instagram und Tiktok. Das sind die Plattformen, für die das Beschwerdemanagement des NetzDG auch bisher galt.
Müssen die Netzwerke nun ihre Seiten auf strafbare Inhalte durchkämmen?
Nein, sie müssen dem BKA nur dann Hass-Postings mit Volksverhetzungen und Morddrohungen melden, wenn es eine konkrete Beschwerde gibt und das Posting daraufhin gelöscht wird.
Hat es bisher die Strafverfolgung behindert, wenn Post gelöscht wurden?
Nein, die gelöschten Hass-Postings mussten vom Netzwerk auch bisher zehn Wochen lang gespeichert werden, für den Fall, dass jemand Strafanzeige stellt.
Nehmen wir an, ich werde bei Facebook bedroht: „Noch so ein Text und Du bist Hackfleisch.“. Ich beschwere mich deshalb bei Facebook. Das Posting wird gelöscht und das BKA wird informiert. Was macht das BKA künftig mit so einer Meldung?
Wenn das Posting unter dem Klarnamen des Verfassers erfolgt ist, wird das BKA den Fall an die zuständige Staatsanwaltschaft am Wohnort des mutmaßlichen Täters weiterleiten, die dann die konkreten Ermittlungen aufnimmt.
Wie geht das BKA vor, wenn der Hetzer ein Pseudonym wie „Hitler-2“ benutzt?
Facebook muss dem BKA auch melden, mit welcher IP-Adresse der Nutzer zuletzt unterwegs war. Das BKA kann dann bei den Internet-Providern – etwa der Deutschen Telekom – abfragen, welchem Nutzer diese IP-Adresse zu diesem Zeitpunkt zugeteilt war. Der Provider muss dem BKA den Namen und die Adresse des Kunden mitteilen.
Was macht das BKA, wenn die IP-Adresse beim Provider schon gelöscht ist?
Dann müssen die Strafverfolgungsbehörden der Länder die üblichen Ermittlungen durchführen, also zum Beispiel das Profil mit allen Bildern und Texten genauer anschauen, ob sich daraus Hinweise auf die Identität des Verfassers ergeben.
Mit wie vielen Meldungen ans BKA ist zu rechnen?
Mein Ministerium hält 250.000 Meldungen pro Jahr für realistisch. Ich gehe aber davon aus, dass die Zahl langfristig sinkt. Denn wenn künftig strafrechtliche Sanktionen drohen und durchgesetzt werden, hat das auch einen abschreckenden Effekt.
Ist es nicht auch von der Meinungsfreiheit geschützt, Hass zu äußern?
Die Meinungsfreiheit endet dort, wo das Strafrecht beginnt. Wenn Sie mit Gewalt bedroht werden, ist das eine strafbare Handlung, kein freier Diskurs. Mir geht es um den Schutz der Meinungsfreiheit. Vor allem um den Schutz derjenigen, die durch Hetze und Drohungen eingeschüchtert werden und sich zurückziehen. Wir dürfen das Feld nicht den Hetzern überlassen, sonst gerät unsere Demokratie in Gefahr.
Eine Anzeigepflicht ist neu in Deutschland. Ist es schon so schlimm, dass wir so etwas brauchen?
Die permanente Hetze senkt die Hemmschwelle für reale Gewalt, wie der Anschlag auf Walter Lübcke und die Morde von Hanau und Halle gezeigt haben. Die Meldepflicht ist aber auch nichts völlig Neues. Banken müssen schon lange verdächtige Einzahlungen melden, damit diese auf Geldwäsche geprüft werden können.
Genügt es nicht, dass jede Privatperson bei der Polizei Strafanzeige erstatten könnte?
Nein. Nur das jeweilige soziale Netzwerk kann dem BKA gleich die IP-Adresse zum gemeldeten Hass-Post mitliefern.
Finden Sie es richtig, dass ein amerikanisches Privatunternehmen wie Facebook entscheidet, ob es in Deutschland Strafverfolgung gibt oder nicht?
Das soziale Netzwerk meldet, wenn ein Post wegen eines strafbaren Inhalts gelöscht wurde, nicht mehr und nicht weniger. Ob die Tat angeklagt wird, entscheidet die deutsche Staatsanwaltschaft. Ob die Tat verurteilt wird, entscheidet ein deutsches Gericht.
Was ist, wenn Facebook auch satirische Äußerungen meldet, die gar nicht strafbar sind?
Ich kann mir schwer vorstellen, wie es sich bei Gewaltdrohungen um eine Satire handeln soll. Jedenfalls sind Antragsdelikte wie Beleidigung und Verleumdung ausdrücklich von der Meldepflicht ausgenommen, auch weil hier die Abgrenzung zwischen „straflos“ und „strafbar“ besonders schwierig ist.
Wenn alle Meldungen zunächst beim BKA zusammenlaufen, entsteht dort nicht eine riesige Querulanten-Datei?
Nein. Das BKA darf die von den Providern übermittelten Daten nur unter engen gesetzlichen Vorgaben speichern und weiterverwenden. In der Regel hat das BKA die Daten zu löschen, sobald sie der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft übermittelt worden sind.
Zu wievielen Ermittlungsverfahren werden die geschätzten 250 000 Meldungen der Netzwerke führen?
Meine Fachleute rechnen mit rund 150 000 zusätzlichen Ermittlungsverfahren bundesweit. Ich gehe davon aus, dass auch diese Zahl langfristig deutlich sinken wird.
Sind BKA und Justiz damit nicht überfordert?
Wir müssen Polizei und Justiz natürlich entsprechend ausstatten. Das BKA wird 252 neue Mitarbeiter bekommen. Und für die Justiz der Bundesländer haben wir einen Mehrbedarf von 265 Stellen bei Staatsanwaltschaften und Gerichten geschätzt.
Sie können die Bundesländer aber nicht zur Einstellung des benötigten Personals zwingen….
Das ist auch nicht nötig. Auch die Justizministerinnen und Justizminister der Länder sehen die Bedrohung der Demokratie durch Hass und Hetze. Viele Länder haben bereits jetzt spezialisierte Staatsanwaltschaften eingerichtet.
Gibt es Proteste von den Netzwerken?
Jedenfalls nicht so sehr wie 2017 bei der Verabschiedung des NetzDG. Bei den Netzwerken merkt man wohl auch, dass es für die Geschäfte schlecht ist, wenn sich viele Menschen ausklinken, aus Angst vor Hass und Drohungen.
Kommen wir zum zweiten Punkt, an dem Sie nachbessern wollen: zu den rechtswidrigen Löschungen von legalen Postings durch soziale Netzwerke. Ist das ein Massenphänomen?
Nein, es geht hier nur um Einzelfälle. Bei Einführung des NetzDG haben Kritiker ja gewarnt, das Gesetz werde zu massivem Overblocking führen, also zur massenhaften Löschung von kontroversen, aber legalen Inhalten. Nach über zwei Jahren hat sich das nicht bewahrheitet.
Gibt es Zahlen dazu?
Von Anfang 2018 bis Ende 2019 gab es bei den Netzwerken rund 2,9 Millionen Beschwerden. Davon führten nur 28 Prozent zur Löschung. Das deutet auf eine eher vorsichtige Umsetzung des Gesetzes hin.
Als das NetzDG verabschiedet wurde, versprach die SPD, bald einen gesetzlichen Anspruch auf Wiederherstellung fälschlich gelöschter Postings zu schaffen. Was wurde daraus?
Das ist nicht mehr nötig. Denn inzwischen hat die Rechtsprechung klargestellt, dass es solche „Put-Back“-Ansprüche schon gibt. So hat ein Facebook-Nutzer gegen das Netzwerk einen vertraglichen Anspruch, dass dieses keine Postings löscht, die weder gegen gesetzliche Bestimmungen noch gegen zulässige Nutzungsbedingungen verstoßen. Von dieser Rechtslage geht unser Gesetzentwurf aus, wenn er betroffenen Nutzern helfen will, solche Wiederherstellungsansprüche durchzusetzen.
Was planen Sie?
Als Alternative zu einer Klage vor Gericht sehen wir eine „Gegenvorstellung“ vor. Der Nutzer, dessen Post gelöscht wurde, kann vom Netzwerk eine neue Entscheidung verlangen. Wenn er dann immer noch nicht einverstanden ist, kann der Nutzer eine Schlichtungsstelle anrufen. Und danach steht natürlich der Rechtsweg offen.
Haben Sie auch schon persönlich Erfahrungen mit dem NetzDG gemacht?
Erst vor wenigen Tagen hat ein Facebook-Nutzer mir ein verleumderisches falsches Zitat untergeschoben. Ich habe Facebook daraufhin morgens um Löschung gebeten. Abends war das Posting nicht mehr da. Der Mechanismus hat also funktioniert. Der Nutzer hat sich dann bei mir gemeldet und behauptet, sein Account sei gehackt worden. Das muss jetzt die Polizei klären. Ich habe Strafanzeige gestellt.
https://taz.de/Justizministerin-Lambrecht-ueber-NetzDG/!5689014/
Mit dem Beschluss des Bundesrat nimmt eins meiner absoluten Lieblings-Gesetze die letzte Hürde, auf das ich so lange gewartet habe. Besser kann man nicht in das Wochenende starten, super – Party!
Soziale Netzwerke als „Hilfssheriffs“, das ist richtig so, schließlich können sie auch auch die Polizei unterstützen. Schließlich haben sich Twitter und Co. allen voran Twitter eine Digitale Müllhalde aufgebaut für die sie als Platformbetreiber auch verantwortlich sind, die müssen der Justiz zeigen das sie nicht nur Beihilfe schaffen. Die ersten Ergebnisse (Statistik) in ein paar Monaten Jahren werde bestimmt interessant.
Ein guter Tag für viele Internet-User aber nicht für jeden. Aber allen voran ist es, und das ist wichtig, ein guter Tag für das INTERNET!
Christian Dauck