Der in Deutschland entwickelte „Mars-Maulwurf“ HP3 sollte sich in den Marsboden eingraben. Er blieb zunächst stecken. Jetzt gibt es wieder Hoffnung.
Es sah alles gut aus, als die NASA-Sonde Mars InSight im Februar 2019 mit ihrem langen Roboterarm eine Art Maulwurf auf dem Marsboden absetzte. Entwickelt hatte das „HP3“ genannte Gerät das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Der Maulwurf grub los – aber nach knapp 35 Zentimetern war schon Schluss.

Das Problem: Das, was gerne Maulwurf genannt wird, sieht eher aus wie ein 40 Zentimeter langer Nagel, der aber natürlich nicht von außen mit einem Hammer geschlagen wird. Es ist ja kein Astronaut auf dem Mars. Dieser Riesennagel hämmert sich stattdessen von selbst, mit einem Hammermechanismus in seinem Innern, Millimeter für Millimeter in den Untergrund. Wenn da nicht diese harte Kruste wäre, durch die er einfach nicht durchkam.
Roboterarm presste den Maulwurf in den Boden
In diesem Frühjahr, nach einem ganzen Jahr erfolgloser Grabungsversuche und in einer recht hoffnungslosen Lage, entschlossen sich die Forscherinnen und Forscher rabiat vorzugehen: Der Roboterarm der Insight Sonde presste in den vergangenen Wochen den Maulwurf in den Boden – mit dem Risiko, dass dabei wichtige Kabelanschlüsse zerstört werden.

Aber das Risiko hat sich wohl gelohnt. Projektleiter Tilman Spohn vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt veröffentlichte in seinem Internetblog nun Aufnahmen, die den Marsmaulwurf vollständig eingebuddelt zeigen.
Und diesmal deuten erste Messungen auch darauf hin, dass das Gerät genügend Reibung an den Wänden seines Mini-Bohrlochs verspürt, um noch tiefer in den Mars eindringen zu können. 5 Meter Tiefe sind maximal möglich – würde das gelingen, wäre es ein Mars-Tiefbohrrekord, auf den schon fast niemand mehr einen Cent wetten wollte.

Tilman Spohn: Logbuch-Eintrag vom 10. August 2020
Nach dem Free-Mole-Test im Juni 2020 (siehe meinen Logbuch-Eintrag vom 7. Juli) beschloss das HP3-Team, den Roboterarm und die Schaufel des InSight-Landers anzuheben, um mit der Instrument Deployment Camera einen freien Blick auf den Maulwurf in der Grube zu erhalten. Einige von uns hatten erwartet – oder eher befürchtet –, dass die Grube mittlerweile kaum noch Sand enthalten würde. Warum? Nun, der Sand, so die Überlegung, hätte sich bei den vorigen Hämmer-Sessions lockern und in mögliche Spalten und Hohlräume in der schon öfter beschriebenen „Duricrust“ rieseln können. Schließlich rätseln wir auch heute noch, wohin eigentlich all das Krustenmaterial gekommen ist, seit sich die Grube im März 2019 bildete – es „fehlen“ immerhin 300 Kubikzentimeter beziehungsweise circa 200 Gramm.
Maulwurf „undercover“

Und so waren wir durchaus freudig überrascht, als wir auf den Bildern der freiliegenden Grube sahen, dass der Maulwurf weitgehend mit Sand bedeckt war (siehe Bild oben). Nur das hintere Ende, die Back-Cap, und ein paar Zentimeter des Rumpfes ragten noch heraus. Und mehr noch: Es zeigte sich bei Vergleich von Stereoaufnahmen, dass offenbar sogar etwas mehr Sand in der Grube war als zuvor! Wahrscheinlich, weil bei den Hammerschlägen ein Teil des harten Oberflächenmaterials, also der „Duricrust“, zermahlen wurde und als „neuer Sand“ die Grube angefüllte.
Der Überhang, den ich oben in der Bildbeschreibung ansprach, entspricht wahrscheinlich nicht der Dicke der „Duricrust“. Es könnte vielmehr sein, dass diese geschichtet ist. Dafür spricht, dass das Material unter dem Überhang steil ansteht und unsere früheren Abschätzungen ein Ausmaß der „Duricrust“ von 20 Zentimetern ergeben haben. Interessanterweise weist der Überhang Risse in regelmäßigen Abständen auf, die zudem erstaunlich breit sind. Die Schichtgrenze oberhalb der gerissenen Krustenschicht könnte die untere Begrenzung der, auf der Kruste aufliegenden, Sandschicht sein.
Nachdem die Bilder von Sol 577 analysiert waren, konzentrierte sich die Diskussion schnell auf Strategien für die nächsten Schritte. Einige von uns sprachen sich dafür aus, die Grube zu füllen, den Sand in der Grube mit der Schaufel zu verdichten und mit ihr schließlich auf den Sand in der verfüllten Grube zu drücken. Die durch den Sand auf den Maulwurf übertragene Kraft sollte ausreichen, um den Rückstoß des Hammermechanismus von etwa sieben Newton auszugleichen.
Andere Teammitglieder schlugen vor, dass wir zuerst versuchen sollten, den Maulwurf ein paar Zentimeter tiefer zu bekommen, indem wir mit der Spitze der Schaufel auf das hintere Ende drücken und dann hämmern würden. Dies wäre ein Vorgehen ganz ähnlich dem Drücken auf die Back-Cap, das wir in den vorigen Wochen erfolgreich eingesetzt hatten. Das Problem ist nur, dass die Schaufel in der vorigen Konfiguration – mit dem Boden nach unten – nicht mehr in das Loch passt. Man kann die Schaufel aber aufstellen und mit der Schneide drücken. Das bedeutet allerdings erhöhtes Risiko abzurutschen und dabei entweder das Kabel zu beschädigen oder gegebenenfalls den Maulwurf nicht am „Rückwärtshämmern“ hindern zu können. Ich hatte ja schon früher geschildert, dass das Platzieren der Schaufel riskant ist und millimetergenau vorgenommen werden muss. Mit der Schneide nach unten ist dies noch schwieriger als zuvor.
Zu diesem Zeitpunkt fehlten beiden Seiten der Diskussion wichtige Informationen. So war nicht klar, wie effektiv wir Sand in die Grube kratzen könnten. Und ebenfalls war unklar, wie wir in der derzeitigen Lage am sichersten auf den Maulwurf drücken könnten, ohne einen möglicherweise irreparablen Schaden zu verursachen. Also beschlossen wir, zunächst einen „Kratztest“ durchzuführen. Damit gewannen wir auch Zeit, um mit Hilfe von CAD-Modellen der Grube die Platzierung der Schaufel zu planen.
Ich selbst hatte im Vorhinein geschätzt, dass das erste Kratzen mit einer Schaufelreichweite von zwölf Zentimetern die Grube zwar etwas auffüllen, der Maulwurf aber immer noch sichtbar aus dem Sand herausragen würde. Das war im Übrigen für einige die Bedingung, um dem durchaus umstrittenen „Kratztest“ zuzustimmen. Wie man auf dem neuen Bild von Sol 600 unten aber sehen kann, war diese Schätzung nicht ganz richtig, aber das Kratzen ein voller Erfolg! Das Kratzen war deutlich effektiver als gedacht und der Sand füllte die Grube nahezu vollständig. Der Maulwurf ist jetzt bedeckt, allerdings liegt auf der Back-Cap nur eine dünne Schicht Sand.
Zum größten Teil lag die Fehleinschätzung daran, dass die Schaufel deutlich tiefer in den Boden eindrang als geplant. Dadurch wurde annähernd das Doppelte an Material eingetragen. Und zum anderen Teil ist der Maulwurf doch etwas tiefer im Boden, als es aus den Stereoaufnahmen zunächst abgeleitet worden war.
Das Kratzen hatte darüber hinaus bewirkt, dass die Höhenunterschiede am Rand der Grube zum Teil eingeebnet wurden – und damit das Platzieren der Schaufel einfacher geworden ist. Mit diesem Wissen und mit Unterstützung der Projektleitung haben wir beschlossen, den Maulwurf nun doch mit Hilfe der Schaufel etwas tiefer in den Boden zu bringen. Dazu würden wir allerdings nicht mit der Schneide drücken, sondern mit der 20 bis 30 Grad gegenüber dem Boden angewinkelten Schaufel. Dies ist zunächst einmal eine etwas einfachere, besser planbare und weniger zeitintensive Operation im Vergleich zu einer Abfolge von Kratzbewegungen; möglicherweise verbunden mit Hackbewegungen der Schaufel, um die Grube aufzufüllen. Ich denke, spätestens nach dem Verfüllen der Grube sollten wir dem Rückstoß genügend Kraft entgegensetzen können und der Maulwurf „gräbt“ sich dann hoffentlich alleine tiefer in den Marsboden. Drückt die Daumen!
Vielversprechende thermische Werte
Übrigens: Kürzlich führten wir eine neue Messung der Wärmeleitfähigkeit vom Maulwurf zum Boden durch und stellten erfreulicherweise im Vergleich zu früheren Messungen erhöhte Werte fest. Dies deutet darauf hin, dass sich der thermische Kontakt – und damit auch der mechanische Kontakt – verbessert haben. Eine gute Nachricht, die uns weiter optimistisch stimmt.