Eine Woche hält Elon Musk Medien, Politik und Fans in Deutschland in Atem. Nun ist er wieder weg. Was bleibt, ist Stolz. Seine Geschäfte hierzulande werden als starkes Signal für den Wirtschaftstandort gefeiert. An Biss und Tempo des Tech-Investors können sich andere ein Beispiel nehmen.
Es sind zehn elektrisierende Minuten für die wenigen Schaulustigen, die einen Blick auf den exzentrischen Tech-Investor werfen dürfen. „Deutschland rockt“, ruft Elon Musk ihnen zu, als er am Donnerstag überraschend auf der Baustelle seiner neuen Gigafactory im brandenburgischen Grünheide auftaucht. Sein Timing lässt für Fans und Medien zu wünschen übrig. Eine offizielle Ankündigung seines Besuchs gab es nicht. Wert auf ein großes Empfangskommittee hat er offenbar nicht gelegt. Aber der Milliardär genießt die kleine Bühne, er ist sichtlich locker und bester Laune.
Der Standort für seine fünfte Gigafactory ist perfekt, will er mit seinen Worten wohl sagen. Grünheide war für ihn die richtige Entscheidung. Geht alles gut, werden hier ab Sommer 2021 jährlich rund 500.000 E-Autos vom Band rollen. Die Region ächzt unter hoher Arbeitslosigkeit, die Lokalpolitik hofft durch die neue Fabrik unmittelbar auf 12.000 Jobs. Wie Ministerpräsident Dietmar Woitke nach seinem Treffen mit Musk erklärt, zeigt die Baustelle zum Glück jetzt schon die erhoffte „Sogwirkung“.
Tesla gibt Gas. Noch vor gut drei Monaten war das Gelände unberührte Natur. Inzwischen ist der Wald platt gewalzt und die erste Halle – für die Lackiererei – steht. Am Gebäude baumelt bereits der Richtkranz. Es ist denkbar, dass die neue Gigafactory noch schneller fertig wird als die in Schanghai, die in der Rekordzeit von elf Monaten hochgezogen wurde. Möglich ist das nur, weil Musk mit vorläufigen Genehmigungen und auf eigenes Risiko arbeitet. Dass hier bald eine Bauruine stehen könnte, glaubt wohl inzwischen keiner mehr.
Warum er so aufs Tempo drücke?, ruft ein Schaulustiger vor den Toren der Baustelle. „Ich glaube an Geschwindigkeit“, lautet Musks Antwort. Für das Klima und die Welt sei es wichtig, dass der Übergang zu erneuerbarer Energie so schnell wie möglich gelinge. Die Schnelligkeit, mit der er seine Projekte angeht, ist sein unverkennbares Markenzeichen – selbst in Deutschland, wo die Hürden der Bürokratie hoch sind, ist Musk nicht zu bremsen.
Ein starkes Signal für den Wirtschaftsstandort
Seine Investitionen seien „ein tolles Signal für den Wirtschaftsstandort“, sagt der Tech-Experte Frank Thelen. Musk bringe endlich auch Geschwindigkeit nach Deutschland. Das sei der Beweis: „Wir können doch noch schnell!“ Deutsche Investoren könnten sich hier was abschauen, sagt er. Musk sei „ein Lottogewinn“, aber das reiche nicht. „Jetzt müssen wir es ihm nachmachen. Wir müssen wieder Pioniergeist zeigen, angstfrei Mut beweisen und nach vorne laufen.“
Dass Musk als überwiegend internationaler Investor in Deutschland unterwegs ist, nennt Thelen einen großen Glücksfall. Der Fokus auf die deutsche Automobilindustrie sei allerdings nachvollziehbar. Autoexperte Stefan di Bitonto von Germany Trade & Invest (GTAI) pflichtet bei. Die Wirtschaft habe Investoren vom Kaliber Musk etwas zu bieten: „Deutschland ist ein Standort mit hohen Ansprüchen, großem Fachwissen und einer hohen Dichte an Ingenieuren. Hier im Land werden fast 40 Prozent der gesamten Premiumfahrzeuge hergestellt. Genau das Segment, in dem sich Tesla bewegt. Wenn Sie ein Premiumauto bauen möchten, dann macht es Sinn, dies in Deutschland zu tun.“ Mit Musk sei man jetzt auch „für die automobile Zukunft vorbereitet“. Der Standort könne „gestärkt in die Zukunft blicken“, sagt di Bitonto ntv.de.
Die Tesla-Fabrik in Grünheide ist nicht Musks erstes Investment in die deutsche Autoindustrie. Vor drei Jahren hat er den Autozulieferer Grohmann in Prüm in der Eifel gekauft. Auch das habe für Tesla gepasst, so Thelen. Bei Grohmann hatte Musk am Dienstag auf seiner Deutschland-Tour Stopp gemacht. Es ist für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Der Ausnahmeunternehmer profitiert von Deutschland, dafür erhält der Wirtschaftsstandort Deutschland durch ihn neuen Schwung.
Der Tech-Visionär soll Deutschland mit auf die Reise in die Zukunft nehmen. Helfen soll dabei seine Fähigkeit, „Visionen vehement umzusetzen“, wie di Bitonto es beschreibt. Musk bringt auch aus Sicht von Thelen dafür alles mit, sein Interesse gilt bahnbrechenden Zukunftstechnologien. Firmen wie Tesla, SpaceX, Hyperloop oder Neuralink zeigen, er ist nicht nur ein Visionär, er liebt es spektakulär. Das Unmögliche treibt ihn an. Kritiker haben seine Vorhaben häufig als unmöglich hingestellt. Doch am Ende hat es Musk immer geschafft: Seine Raketen fliegen, der Tesla rollt, selbst der Neuralink-Chip im menschlichen Hirn, der den App-Store mit dem Gehirn des Menschen verbinden soll, hatte kürzlich seinen großen ersten Auftritt.
Musks größtes Kapital sei sein Verstand, erklärt Thelen. Sei es Künstliche Intelligenz, Batterie-Technologien, Quanten-Computer, 5G oder Blockchain, „Elon Musk versteht diese Technologien“, sagt er. „Es ist seine DNA.“ Zu fragen, wie man Raketen günstig ins Weltall hochschießen kann, wie Dinge möglich werden können, die vorher nicht möglich waren. „Musk glaubt an den exponentiellen Fortschritt. Das ist es, was ihn von anderen Investoren unterscheidet.“
Musk, ein explosiver Cocktail
Für den Milliardär und Investor Carsten Maschmayer ist es die Mischung aus „kreativem Ungehorsam, unbändigem Veränderungsdruck“ und einem Quäntchen „Ego-Trip“, die Musk so erfolgreich macht. „Mutige Dinge“, die ein „tolles Vorbild für Tech-Gründer“ seien, wie der Juror aus der Startup-Show „Höhle der Löwen“ im ntv-Podcast „So techt Deutschland“ einräumt, der sich selbst nicht als großen Fan des exzentrischen US-Milliardärs bezeichnet.
ech-Investor Thelen sieht in Musks Investment-Entscheidungen aber auch noch etwas anderes: Dass er die Technologie seines Autozulieferers Grohmann zum Beispiel für einen 3D-Drucker nutzt, damit der Impfstoffhersteller Curevac den Turbo bei der Produktion zünden kann, „zeigt, der Mann will helfen“. Klar ist aber auch: Wer am schnellsten einen Impfstoff auf den Markt bringt, dem winkt das große Geld. Der Auto- und Raumfahrtrevolutionär darf also plötzlich auch noch hoffen, demnächst in der Pharmaindustrie ganz vorne mitzumischen.
Es ist die gelungene Verbindung von Genie und Glück, wenn man so will. Hinzu kommt eine gesunde Portion Rastlosigkeit. Im Gepäck soll Musk schon wieder neue Investitionsideen gehabt haben. Angeblich hat er die deutsche Energiebranche ins Visier genommen und bereits auslotet, ob Kunden Interesse an einem neuen Stromtarif aus dem Hause Tesla haben. Wirtschaftsminister Peter Altmaier und die Unionsfraktionsspitze sollen ihm für seine Unternehmungen in Deutschland volle Unterstützung zugesagt haben. Gelingt der Markteintritt in den Stromvertrieb, könnte Musk plötzlich auch Platzhirsche wie Eon oder RWE aufmischen. Musk-Kritiker werden sich wohl daran gewöhnen müssen: Die Grenzen des Unmöglichen sind verschiebbar.
Quelle: ntv.de