Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ hat den Härtetest bestanden – Nun steht der erste Flug bevor

Der Nasa-Rover „Perseverance“ (vorne) hat ein Selfie von sich und dem Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ (hinten) auf dem Mars aufgenommen.
Nasa/JPL

Der Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ der Nasa erwacht auf dem roten Planeten zum Leben. In Kürze steht der erste Flug auf dem Mars an – ein historisches Ereignis.

Seit der kleine Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ im Februar gemeinsam mit dem Rover „Perseverance“ auf dem roten Planeten gelandet ist, ist einige Zeit vergangen – die das Duo auf dem Mars gut genutzt hat: Der Rover der US-Raumfahrtorganisation Nasa hat nach Systemchecks erste kurze Fahrten hinter sich gebracht und einen geeigneten Startplatz für den kleinen Helikopter gefunden.

„Ingenuity“ steht mittlerweile alleine auf der Mars-Oberfläche und hat nach dem holprigen Start und der Mars-Landung seinen nächsten großen Härtetest bestanden. Der Mars-Hubschrauber hat die erste Nacht ohne den schützenden Rover geschafft. „Wir haben die Bestätigung, dass wir die richtige Isolation, die richtige Heizung und genug Energie in der Batterie haben, um die kalten Nächte zu überstehen“, freute sich die „Ingenuity“-Projektmanagerin MiMi Aung, nachdem klar war, dass der Hubschrauber die erste Nacht auf dem bis zu minus 90 Grad Celsius kalten Mars überstanden hat.

Das Entriegeln und Testen der Rotoren von Ingenuity markiert die letzten wichtigen Meilensteine, bevor der Hubschrauber versucht zu fliegen. 
NASA-Beamte haben angekündigt, die Blätter zuerst mit 50 und dann mit 2.400 Umdrehungen pro Minute zu testen, bevor der Hubschrauber versucht zu fliegen.

Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ und Nasa-Rover „Perseverance“ auf einem Selfie

Nach der überstandenen Nacht hat der Mars-Rover „Perseverance“ ein äußerst sehenswertes Selfie zur Erde geschickt: Neben dem großen Rover ist darauf auch der kleine Helikopter zu sehen. Der Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ steht etwa vier Meter hinter dem Rover, der eine Kamera namens „WATSON“ (Wide Angle Topographic Sensor for Operations and eNgineering) genutzt hat, um das Selfie zu schießen. Aus insgesamt 62 Bildern wurde das Foto zusammengesetzt. Auch der Hubschrauber „Ingenuity“ selbst hat bereits ein erstes Farbfoto zur Erde geschickt.

Gewicht des Mars-Helikopters:1,8 Kilogramm
Höhe des Helikopters:80 Zentimeter
maximale Flughöhe:10 Meter
maximale Reichweite:300 Meter
maximale horizontale Geschwindigkeit:10 Meter/Sekunde (35 km/h)
maximale vertikale Geschwindigkeit:3 Meter/Sekunde (10,8 km/h)

Bald werden Rover und Hubschrauber andere – historische – Dinge fotografieren und filmen: Der erste Flug des Helikopters „Ingenuity“ soll frühestens am 11. April 2021 stattfinden, nachdem „Perserverance“ die lokalen Windverhältnisse mit seinen Instrumenten geprüft hat. Beim ersten Flug auf einem fremden Planeten soll der Mars-Hubschrauber mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde in eine Höhe von drei Metern aufsteigen und dann für bis zu 30 Sekunden über der Oberfläche schweben. Anschließend soll „Ingenuity“ wieder landen.

Nasa plant ersten Flug von Helikopter „Ingenuity“ auf dem Mars

Mehrere Stunden nach dem ersten Flug soll der Rover die ersten Daten des Hubschraubers zur Erde schicken. Die Nasa-Ingenieure erhoffen sich außerdem Fotos und Videos, die der Rover vom Flug des Hubschraubers machen soll. Denn der wird historisch sein: Noch nie ist ein menschengemachtes Gerät auf einem fremden Planeten geflogen. Die Nasa verglich das Vorhaben bereits vor der Landung auf dem Mars mit dem ersten motorisierten Flug der Wright-Brüder im Dezember 1903.

Könnte ein Pionier in einer fremden Welt werden: Der Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ soll in der dünnen Atmosphäre des Mars gesteuert und motorisiert fliegen. (künstlerische Darstellung)
Nasa/JPL

Weil man bei der Nasa solche Geschichten liebt, befindet sich etwas Material, das die Flügel des Wright-Flugzeugs bedeckt hatte, an Bord von „Ingenuity“. Auch bei der Mission von „Apollo 11“, die zur ersten Mondlandung führte, war ein Stück des Materials – und zusätzlich ein kleines Stück Holz vom Flugzeug der Wright-Brüder – an Bord. Ob es der Nasa gelingt, mit dem Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ Geschichte zu schreiben und den ersten motorisierten, gesteuerte Flug eines Drehflüglers auf einem anderen Planeten als der Erde durchzuführen, dürfte bereits der April zeigen.

Mars-Hubschrauber der Nasa: Vergleich mit erstem Flug der Wright-Brüder

Die Aufgabe hat es in sich: Die Atmosphäre des Mars ist sehr dünn, sie hat nur etwa ein Prozent der Dichte der Erdatmosphäre. Das wurde natürlich bei der Entwicklung des Helikopters „Ingenuity“ berücksichtigt: Er ist sehr leicht und hat sehr lange Rotorblätter. Diese können sehr viel schneller rotieren, als es für einen Hubschrauber mit 1,8 Kilogramm Gewicht auf der Erde nötig wäre.

Kommunikation mit Mars-Hubschrauber „Ingenuity“ ist für die Nasa kompliziert

Auch die Kommunikation mit dem Mars-Hubschrauber ist eine Herausforderung: „Ingenuity“ kann von den Nasa-Ingenieuren nicht direkt von der Erde aus gesteuert werden – die Kommunikation wird über den Rover „Perseverance“ zeitversetzt abgewickelt. Hintergrund ist der große Abstand zwischen Erde und Mars, der die Kommunikation verzögert. Aus diesem Grund muss „Ingenuity“ auf dem Mars auch autonom handeln: Er muss Entscheidungen auf Grundlage von Parametern treffen, die die Ingenieure auf der Erde vorgegeben und vorab eingespielt haben.

Doch warum will die Nasa Flüge auf dem Mars – bis zu fünf Testflüge sind innerhalb von 30 Tagen geplant – ausprobieren? Es handelt sich dabei um eine so genannte Technologiedemonstration: Gelingt es „Ingenuity“, auf dem Mars zu fliegen, könnten künftig weitere fliegende Roboter auf dem roten Planeten zum Einsatz kommen. Sie könnten Rovern, die auf der Mars-Oberfläche fahren, neue Perspektiven liefern und Zugang zu Gebieten ermöglichen, die für Rover schwierig zu erreichen sind. Auch künftige astronautische Missionen könnten von Mars-Hubschraubern profitieren: „Ein zukünftiger Helikopter könnte helfen, leichte aber wichtige Fracht von einer zur anderen Seite zu transportieren“, heißt es bei der Nasa. (Tanja Banner)

Quelle: https://www.fr.de/wissen/mars-hubschrauber-ingenuity-helikopter-nasa-rover-perseverance-selfie-flug-roter-planet-90356659.html