Digitale-Kriminalitätsbekämpfung: Bundestag gibt Staatstrojaner für Geheimdienste und Bundespolizei frei

Bundestag genehmigt Staatstrojaner für alle. Die große Koalition erweitert die Befugnisse der Sicherheitsbehörden massiv. Alle Nachrichtendienste von Bund Ländern dürfen bei WhatsApp & Co. mitlesen.

Erneut hat Schwarz-Rot Warnungen von Sachverständigen vor einer unverhältnismäßigen und damit potenziell grundgesetzwidrigen Initiative in den Wind geschlagen und den Gesetzentwurf zur „Anpassung des Verfassungsschutzrechts“ durch den Bundestag geschleust. Mit dem Beschluss vom Donnerstag dürfen künftig das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und die Verfassungsschutzämter der Länder mithilfe von Staatstrojaner Messenger-Kommunikation etwa via WhatsApp, Signal oder Threema sowie Internet-Telefonate und Video-Calls überwachen.

Die Opposition stimmte geschlossen gegen das Vorhaben, mit dem der Gesetzgeber laut Juristen „sehenden Auges in die Verfassungswidrigkeit“ läuft. Insgesamt passierte der Entwurf mit 355 zu 280 Stimmen bei vier Enthaltungen das Plenum. Zulässig wird die sogenannte Quellen-TKÜ plus. So dürfen die Agenten nicht nur die laufende Kommunikation direkt am gehackten Endgerät abgreifen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde. Dazu kommt die bereits im Entwurf der Bundesregierung vorgesehene Lizenz, wonach sie auch auf gespeicherte Chats und Mails zugreifen können.

Anbieter von Telekommunikationsdiensten müssen die „berechtigten Stellen“ dabei unterstützen, „technische Mittel“ wie Staatstrojaner zur Quellen-TKÜ „einzubringen“ und die Kommunikation an sie umzuleiten. Experten und Provider beklagten hier ein besonders großes Missbrauchspotenzial: Damit werde nicht nur eine Kopie der Kommunikation ausgeleitet, sondern gezielt die Manipulation der Daten durch die Geheimdienste ermöglicht.

Die große Koalition hat mit einem Änderungsantrag noch klargestellt, dass die Pflichten „ausschließlich diejenigen treffen, die eine Telekommunikationsanlage betreiben, mit der öffentlich zugängliche Dienste“ erbracht werden. Anbieter von App-Stores oder einzelner Anwendungen bleiben so außen vor. Zudem hat Schwarz-Rot eine besondere Berichtspflicht über Maßnahmen der Quellen-TKÜ eingeführt.

Ferner haben die Abgeordneten die Befugnisse zur Überwachung von Einzelpersonen – statt Gruppen – ausgeweitet und den Geheimdiensten dabei ein weites Ermessen eingeräumt. Dies begründen sie vor allem mit gefährlichen Aktivitäten von Individuen im Internet. Der Verein Digitale Gesellschaft befürchtet: „Mit einem derartigen Ermessen wird den Verfassungsschutzämtern eine noch weitergehende Deutungshoheit über die politische Meinungsäußerung im Netz zugesprochen. Statt präziser Regeln für Geheimdienste zu formulieren, wird ihnen weitgehend freie Hand gegeben.“

Im Polizeibereich sind Verfassungsbeschwerden gegen die bestehenden Möglichkeiten zum Staatstrojaner-Einsatz anhängig. Das Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwalt verwendeten das Instrument in den vergangenen Jahren nicht. Trotzdem hat der Bundestag parallel den Entwurf zur Reform des Bundespolizeigesetzes verabschiedet und damit auch der für Bahnhöfe, Flughäfen und die Landesgrenzen zuständigen Sonderpolizei die Befugnis erteilt, mit Richtervorbehalt Bundestrojaner auf Geräte Verdächtiger zu spielen. Die Opposition stimmte dagegen.

Gestrichen haben CDU/CSU und SPD mit ihrem Änderungsantrag am bisherigen Entwurf für das Gesetz zur „Modernisierung der Rechtsgrundlagen der Bundespolizei“ die Möglichkeit des Zugriffs auf bereits gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation im Rahmen der Quellen-TKÜ. Es kommt aber eine allgemeine Erlaubnis, WhatsApp & Co. mit dem Werkzeug zu überwachen. Andrea Lindholz (CDU) hob hervor, dass die Klausel vor allem auf Menschenhandel und Schleusung eingeschränkt sei.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnte während des Gesetzgebungsverfahrens, dass der einstige Grenzschutz mit dem per Quellen-TKÜ erfassten Datenstrom auch Zugangsdaten für Online-Dienste wie Passwörter im Klartext sowie damit einen umfassenden Zugriff etwa auf E-Mail-Postfächer und Cloudspeicher erhalte. Selbst unbemerkte Manipulationen sowie Identitätsdiebstahl wären so möglich. Enthalten sei selbst eine „verfassungsrechtlich höchst problematische Erweiterung der Quellen-TKÜ“ auf noch weiter gehende heimliche Online-Durchsuchungen.

Fortan darf die Bundespolizei ferner die Telekommunikation der Bürger präventiv überwachen etwa „zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“. Dies betrifft sogar Fälle ohne konkreten Anfangsverdacht und gilt auch für die Quellen-TKÜ. Hier werde die Schwelle angesichts der Tiefe eines solchen Grundrechtseingriffs viel zu niedrig angesetzt, hatte Kelber kritisiert. So würden etwa die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten engen Bedingungen zum Erfassen von Kontaktpersonen unterlaufen.

Die Befugnis der Bundespolizei zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen wie etwa dem Abnehmen von Fingerabdrücken wird ebenfalls auf Fälle noch gar nicht begangener Straftaten erweitert. Die Beamten dürfen zudem uneingeschränkt gegen „fernmanipulierte Geräte“ wie Drohnen vorgehen. Der Einsatzbereich der Bundespolizei wird generell deutlich erweitert. Sie kann künftig auf Ersuchen einer Staatsanwaltschaft etwa in länderübergreifenden komplexen Sachverhalten wie bei Tätergruppierungen tätig werden, die sich auf Aufbrüche von Fahrkarten- und Geldautomaten, Schleusungskriminalität, Kfz-Diebstahl, die Einfuhr von Drogen oder Wohnungseinbrüche konzentriert haben.

Eingeführt hat der Bundestag ferner eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Bildaufzeichnungen, die die Bundespolizei in ihrem Zuständigkeitsbereich erstellt hat, an die Polizeien der Länder. Voraussetzung ist, dass die Weitergabe erforderlich ist und die Empfänger berechtigt wären, die Aufnahmen selbst zu erstellen. Gleiches gilt für die Nutzung selbsttätiger Bildaufzeichnungsgeräte der Bundespolizei wie Bodycams durch die Länderpolizeien.

Die „GroKo“ komme in den letzten Stunden der Legislaturperiode mit verheerenden, unausgegorenen und verfassungsrechtlich hoch problematischen Instrumenten um die Ecke, rügte der Grüne Konstantin von Notz: Alle vom Chaos Computer Club (CCC) bis zu den Tech-Giganten hätten gesagt: „Bitte machen Sie es nicht.“ Die für Trojaner benötigten Sicherheitslücken beträfen 82 Millionen Menschen und die Wirtschaft. Durch diese könnten andere Nachrichtendienste genauso gehen wie Kriminelle. Es sei daher nicht verwunderlich, dass Deutschland im Bereich der IT-Sicherheit „so maximal bescheiden aufgestellt ist“. Staatshacking hätte nicht einen einzigen Anschlag verhindert.

Stephan Thomae (FDP) erinnerte daran, dass Saskia Esken, Co-Vorsitzende der SPD, gerade noch Staatstrojaner als „fundamentalen Eingriff in unsere Freiheitsrechte“ bezeichnet habe. Die SPD gebe die Bürgerrechte trotzdem ohne Not preis und betreibe Sicherheitspolitik als Sicherheitsrisiko. „Heute ist ein schwarzer Tag für die Bürgerrechte“, ergänzte der Liberale Konstantin Kuhle. Der Linke André Hahn betonte: Die Verfassungsschutzreform sei „ganz offenkundig verfassungswidrig“.

Die Jusos hatten ihre „Genossen“ am Mittwoch in einem Brandbrief noch aufgefordert, die Lizenz für Staatstrojaner aus beiden Gesetzen zu streichen. Die SPD dürfe keine Initiative mittragen, in der die Quellen-TKÜ plus schon „unterhalb der Schwelle eines konkreten Tatverdachts“ möglich werde. Die Jugendorganisation erinnerte auch daran, „dass insbesondere die Arbeit der Verfassungsschutzämter in den letzten Jahren vor allem durch Skandale geprägt war“. Die Beschlüsse fügten der Partei „massiven Schaden und den Verlust von Glaubwürdigkeit“ zu.

Es gelte, den Rechtsterrorismus zu bekämpfen, verteidigte Uli Grötsch (SPD) das neue Verfassungsschutzrecht. Die Koalition habe aufgrund der zunehmenden Radikalisierung von Einzeltätern im Netz reagieren müssen. Es sei wichtig, mutig zu sein. Über Messenger kommunizierten die Feinde der freiheitlich-demokratischen Ordnung. Wer von Massenüberwachung der Bürger spreche, sage die Unwahrheit. Extremismus könne nicht mit Mitteln aus der Zeit der Wählscheibe bekämpft werden, unterstrich Michael Kuffer (CSU). Die Grünen arbeiteten Terroristen direkt in die Hände.

„Die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes schießt mit völlig unverhältnismäßigen Maßnahmen weit über das Ziel einer effizienten Kriminalitätsbekämpfung hinaus“, monierte der IT-Verband Bitkom. Die neue Pflicht „zur Erteilung von Auskünften über die Strukturen von Netzen, Diensten und Anlagen an staatliche Stellen“ stehe „im diametralen Widerspruch zu den schützenswerten Sicherheitsanforderungen kritischer Infrastrukturen“. Die Medienorganisation Reporter ohne Grenzen kündigte an, gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Niko Härting „zügig Verfassungsbeschwerde einzulegen“. Mit dem ausgeweiteten staatlichen Hacking drohten gravierende Schäden für die Pressefreiheit und den digitalen Quellenschutz.

Quelle: https://www.heise.de/news/Bundestag-gibt-Staatstrojaner-fuer-Geheimdienste-und-Bundespolizei-frei-6067818.html


Bundestag genehmigt Staatstrojaner für alle. Einfach super Geil was die große Koalition da beschlossen hat – Staat und Politiker wie ich sie mag. Eine wahre Freude und ein Fest. Weil ich moderne Kriminalitätsbekämpfung mag und selber IT-Begeistert bin (Auf der Arbeit warte ich Computer sowie Netzwerke und richte sie ein). Toll wie die Polizei-Beamten/Beamtinnen und Sicherheitsbehörden immer mehr Digitales Handwergzeug bekommen und die Analoge-Kriminalitätsbekämpfung hinter sich lassen.
Kriminalitätsbekämpfung: Heute ist ein guter Tag für die Bürgerrechte und die IT-Sicherheit. Ich finde solche Gesetze super und total richtig – Ein Traum wird wahr. Wird ohne wenn und aber Befürwortet. Die Digitale- Kriminalitätsbekämpfung in den Sicherheitsbehörden ist die Zukunft sowie ein sehr wichtiger Fortschritt.

Der Bundestag billigte mit den Stimmen von Union und SPD ein entsprechendes Gesetz, damit Kriminelle, Extremisten und Terroristen besser verfolgt werden können. Internetprovider müssen bei der Installation des Staatstrojaners helfen.

Fortan darf die Bundespolizei ferner die Telekommunikation der Bürger präventiv überwachen etwa „zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“. Dies betrifft sogar Fälle ohne konkreten Anfangsverdacht und gilt auch für die Quellen-TKÜ.

Mit dem Beschluss vom dürfen künftig das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und die Verfassungsschutzämter der Länder mithilfe von Staatstrojaner Messenger-Kommunikation etwa via WhatsApp, Signal oder Threema sowie Internet-Telefonate und Video-Calls überwachen.

Christian Dauck

Verfassungsschutz erhält mehr Rechte

Stand: 10.06.2021

Der Bundestag hat die Befugnisse des Verfassungsschutzes ausgeweitet. Der Inlandsgeheimdienst soll künftig auch verschlüsselte Nachrichten überwachen dürfen. Das gilt zum Beispiel für WhatsApp-Mitteilungen.

Der Verfassungsschutz erhält neue Befugnisse. CDU/CSU und SPD stimmten für ein Gesetz, dass es dem Verfassungsschutz künftig erlaubt, verschlüsselte Nachrichten, die etwa über WhatsApp verschickt werden, zu überwachen – in streng geregelten Einzelfällen.

Mathias Middelberg aus der Unionsfraktion sagte in der Debatte im Bundestag, dem Verfassungsschutz werde immer wieder gesagt: „Ihr müsst diese terroristischen und diese extremistischen Netzwerke frühzeitig erkennen. Ihr müsst diese Netzwerke verfolgen und aufdecken.“ Extremisten und Terroristen würden heute aber kaum noch telefonieren oder sich SMS schicken. „Sondern die meisten und gerade die, die sich im extremistischen Spektrum bewegen, nutzen verschlüsselte Dienste.“

Bisherige Instrumente reichen angeblich nicht

Mit einer herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung könne man auf solche Nachrichten allerdings nicht zugreifen, so Middelberg, sondern nur durch die Telekommunikationsüberwachung an der Quelle, die sogenannte Quellen-TKÜ.

Diese sei nötig, sagte auch Uli Grötsch von der SPD, denn damit könne digitale Kommunikation über Messenger-Dienste aufgeklärt werden. „Denn dort und nirgends anders, kommunizieren die Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, so Grötsch. Wer einen effektiven Verfassungsschutz wolle, der auf der Höhe der Zeit ist, „der muss ‚ja‘ sagen zur Anpassung von dessen Instrumentarien.“

Zugriff auf Mobiltelefon nötig

Dass die SPD-Bundestagsfraktion allerdings zustimmen würde, war lange Zeit alles andere als klar. Im Zusammenhang mit der Quellen-TKÜ wird häufig auch der Begriff Staatstrojaner verwendet. Denn damit die Sicherheitsbehörden die verschlüsselte Kommunikation lesen können, müssen sie Nachrichten abfangen, bevor sie verschlüsselt werden. Damit ist ein Zugriff beispielsweise auf das Mobiltelefon einer Person nötig, die überwacht werden soll, oder eine Art Hintertür.

„Staatliches Hacking“

Die Opposition im Bundestag griff das dankbar auf. Stephan Thomae von der FDP sagte: „Wo sie recht hat, hat sie recht.“ Dass man in einer Koalition Kompromisse eingehe, sei normal, aber dass die Bundesvorsitzende einer Partei sich 24 Stunden vor einer wichtigen Bundestagsabstimmung so ostentativ von ihrer eigenen Bundestagsfraktion distanziere, „das dürfte doch ziemlich einmalig sein“.

André Hahn von den Linken sagte in Bezug auf die neuen Überwachungsmöglichkeiten: „Das ist ganz offensichtlich verfassungswidrig.“ Er kritisierte insbesondere, dass die Anbieter von Internetdiensten verpflichtet werden sollen, bei der Überwachung behilflich zu sein. Das sei nicht anderes „als eine erzwungene Beihilfe zu staatlichem Hacking“.

Auch Konstantin von Notz von den Grünen kritisierte, dass der Staat für den Einsatz von Trojanern Sicherheitslücken brauche, und diese Sicherheitslücken beträfen „natürlich 82 Millionen Menschen in diesem Land“.

Auch Bundespolizei darf stärker überwachen

Direkt im Anschluss stimmte der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD – nach einer sehr ähnlich klingenden Debatte – auch für erweiterte Befugnisse für die Bundespolizei. Auch die Bundespolizei soll künftig in gewissen Fallkonstellationen verschlüsselte Kommunikation überwachen dürfen.

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/verfassungsschutz-ueberwachung-verschluesselte-nachrichten-101.html