Atomausstieg: Drei weitere Atomkraftwerke gehen vom Netz/Mit Brokdorf das letzte in Schleswig-Holstein/EU streitet um Zukunft der Atomenergie

Für die drei Kernkraftwerke Brokdorf (Schleswig-Holstein), Grohnde (Niedersachsen) und Gundremmingen, Block C (Bayern) erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb zum 31. Dezember 2021. Mit Brokdorf sogar das letzte Atomkraftwerk in Schleswig-Holstein.

Im Rahmen des Ausstieges aus der Atomenergie werden am 31. Dezember drei weitere Kernkraftwerke vom Netz genommen

Ampel“-Koalition steht hinter Atomausstieg
In der „Ampel“-Koalition, die Europas grösste Volkswirtschaft seit dem 8. Dezember regiert, sind die beiden Parteien vertreten, die den Atomausstieg vor rund 20 Jahren eingeleitet hatten. Die damalige rot-grüne Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) entschied, dass in Deutschland keine Akw mehr gebaut werden dürfen und die Laufzeit der damals vorhandenen Anlagen begrenzt wird.

Eine christlich-liberale Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verlängerte 2010 die Laufzeiten wieder um durchschnittlich zwölf Jahre, Brokdorf oder Grohnde hätten dann noch bis in die 2030er Jahre Strom erzeugen dürfen. Aber unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 und der „Atomkraft, Nein Danke“-Haltung in der Bevölkerung vollzog Merkel eine Kehrtwende. Der rot-grüne Atomausstieg wurde im Endeffekt wieder in Kraft gesetzt und in einigen Punkten auch noch verschärft.

Angesichts hoher Energiepreise und auch unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes gab es in den vergangenen Monaten Forderungen aus dem In- und Ausland, die letzten sechs Atomkraftwerke besser noch nicht abzuschalten. Doch davon will die „Ampel“ nichts wissen. „Am deutschen Atomausstieg halten wir fest“, steht im Koalitionsvertrag. Stattdessen will die neue Regierung den Anteil der erneuerbaren Energien schon bis 2030 auf 80 Prozent erhöhen.

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Hurra! Die drei Kernkraftwerke Brokdorf (Schleswig-Holstein), Grohnde (Niedersachsen) und Gundremmingen, Block C (Bayern). gehen vom Netz. Mit Brokdorf geht sogar der letzte Kernreaktor in Schleswig-Holstein vom Netz – Yeah!

Für die drei Kernkraftwerke Brokdorf (Schleswig-Holstein), Grohnde (Niedersachsen) und Gundremmingen, Block C (Bayern) erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb zum 31. Dezember 2021. Mit Brokdorf das letzte Atomkraftwerk in Schleswig-Holstein

Christian Dauck

Abschaltung von drei weiteren Atomkraftwerken steht für Unumkehrbarkeit des Atomausstiegs

  • Stand: 29.12.2021

Im Rahmen des Ausstiegs aus der Atomenergie bis Ende 2022 werden am 31. Dezember 2021 drei weitere Atomkraftwerke vom Netz genommen. Neben dem Atomkraftwerk (AKW) Grohnde in Niedersachsen und Gundremmingen, Block C in Bayern, wird auch das AKW Brokdorf in Schleswig-Holstein nach 35 Jahren abgeschaltet.

„Mit der Abschaltung verbunden sind zugleich unermessliche Folgelasten der Atomenergienutzung, die eine dringende Mahnung darstellen. Der Nutzungszeitraum von 35 Jahren stellt nur einen Bruchteil der für Rückbau, Zwischenlagerung und Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll benötigten Zeiträumen dar. Erst ab 2050 wird in Deutschland gemäß den gesetzlichen Rahmenbedingungen ein bis Anfang der 2030er Jahre noch zu findendes Endlager zur Verfügung stehen. Dort gilt es, den Atommüll dann über eine Millionen Jahre sicher zu lagern.

Atomenergie ist angesichts der massiven Folgelasten und Restrisiken im Vergleich zu anderen Energiegewinnungsformen weder wirtschaftlich noch ökologisch verantwortbar. Deswegen gilt es das Zeitalter der Atomenergie ohne Umwege zu überwinden und beschleunigt auf Erneuerbare Energien umzusteigen. Als Industrienation hat Deutschland dabei in Europa aber auch weltweit eine Vorbildfunktion. Die Abschaltung von drei weiteren deutschen Atomkraftwerken zum Jahresende steht für die Unumkehrbarkeit des Atomausstiegs, der weltweit vorangetrieben werden muss.“

Quellen: https://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/abschaltung-drei-weiteren-atomkraftwerken-steht-unumkehrbarkeit

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/drei-atomkraftwerke-vom-netz-1991348

https://www.ee-news.ch/de/article/47694/deutschland-atomausstieg-geht-in-die-endrunde-brokdorf-grohnde-und-gundremmingen-ende-jahr-vom-netz

https://www.heise.de/news/Statistik-der-Woche-Fuer-drei-Kernkraftwerke-ist-zum-Jahresende-Schluss-6300240.html


EU streitet um Zukunft der Atomenergie

Die Ziele der Europäischen Union sind klar formuliert. Klimaneutral bis 2050, bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent reduzieren. Doch welche Rolle kann die Atomkraft dabei spielen? Oder kann sie überhaupt eine Rolle spielen? Die Frage spaltet die EU.

Pro und Contra

Auf der einen Seite steht Frankreich, der entschlossenste Befürworter der Kernenergie. Zusammen mit Polen, Ungarn, Tschechien, Rumänien, der Slowakei und Slowenien macht sich das Land für einen Ausbau der Atomkraft stark. Frankreich gilt seit langem als das „Atomland“ Europas. Es liegt hinter den USA und China auf Platz drei der größten Produzenten von Atomstrom weltweit.

Deutschland hat hingegen nach dem Reaktorunfall von Fukoshima 2011 den Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Dann werden die letzten Reaktoren vom Netz gehen. Unterstützt wird Deutschland unter anderem von Österreich und Luxemburg. Auch Belgien hat einen Atomausstieg beschlossen – bis 2025.

Derzeit sind etwa 110 Reaktoren in der EU in Betrieb, etwa ein Viertel der Atomkraftwerke weltweit.

Während Deutschland in einem Jahr alle Atomkraftwerke vom Netz haben will, plant Frankreich den Bau neuer Meiler. Der Streit spielt zurzeit vor allem auf europäischer Ebene. Vereinfacht gesagt, gehen Frankreich und seine Unterstützer davon aus, dass die europäischen Klimaziele nur mit Einsatz von Atomreaktoren erreicht werden können, denn die Kernenergie verursacht geringe CO2-Emissionen.

Deutschland und die anderen Atomgegner verweisen vor allem auf die Risiken der Endlagerung von Atommüll. Der Atommüll müsse für eine Million Jahre sicher gelagert werden. Auch bei Klimaschutzorganisationen wie WWF und Greenpeace stößt der Versuch auf Widerstand, Atomstrom als grün einzustufen. Die Risiken würden immer noch „systematisch unterschätzt“.

Debatte in Brüssel

Das Thema wird zusätzlich brisanter durch eine Neuerung, die Kritiker als heikel einstufen: Die EU-Kommission arbeitet momentan an der sogenannten Taxonomie – einem Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen. Durch die Taxonomie sollen Bürger und Investoren klare Informationen über nachhaltige Finanzprodukte erhalten. Nach dem geplanten Klassifizierungssystem würde die Atomenergie eine Art grünes Label bekommen. Die mögliche Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energieform sorgt für Kritik. Debatte dauert schon einige Monate an.

Laut internationaler Atomenergiebehörde (IAEA) verursacht Kernenergie 40 Mal weniger Treibhausgasemissionen als ein effizientes Gaskraftwerk. Frankreich übte zuletzt erheblichen Druck aus, um Atomkraft als umweltfreundliche Energie einzustufen.

Deutschland lehnt es ab, Atomkraft in die Taxonomie aufzunehmen. Österreich hat sich bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel ebenfalls gegen ein „grünes“ Label für die Atomkraft ausgesprochen. „Österreich positioniert sich ganz klar gegen Atomenergie“, sagte der österreichische Kanzler Karl Nehammer vor Weihnachten mit Blick etwa auf den umweltschädlichen radioaktiven Müll, der bei der Kernspaltung entsteht.

Länder wie Frankreich oder Polen wollen Atomkraft und Gas als klimafreundlich kennzeichnen, um diese Energiequellen zu fördern. „Sie haben niedrige Emissionen, die Atomenergie sogar null Emissionen, wir brauchen sie“, sagte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki.

Inzwischen gilt es als wahrscheinlich, dass bestimmte Gas- und Atomkraftwerke zumindest vorübergehend in der Taxonomie gelistet werden.

Wenn Ende 2022 im letzten deutschen AKW die Lichter ausgehen, strahlt der über Jahrzehnte angehäufte Atommüll in großen Mengen weiter. Expertinnen und Experten erwarten bis 2080 rund 10 500 Tonnen hoch radioaktiver Abfälle aus Brennelementen. Sie sollen irgendwann in einem Endlager ruhen, das offiziell bis 2031 gefunden sein soll.

Eine Entscheidung der EU-Kommission wird in Kürze erwartet.

Quelle: https://www.presseportal.de/pm/159651/5110172

#OlafSchummelt: Umweltschützer:innen warnen vor ausstehender Entscheidung von Bundeskanzler Scholz

Demnächst wird die EU-Kommission ihren Vorschlag für die sogenannte Taxonomie verabschieden. Es geht dabei um die Frage, was in Europa künftig als grüne Investition gilt. Dabei könnte sogar Gas als „nachhaltig“ deklariert werden. Auf Twitter machen Nutzer:innen dagegen nun mobil.

Olaf Scholz ist noch nicht lange im Amt, schon stehen wichtige Entscheidungen in Sachen Klimaschutz an. Noch dieses Jahr (spätestens aber im Januar) soll darüber entschieden werden, was als nachhaltige Investition gilt.

Hierfür entwirft die EU gerade eine sogenannte Taxonomie. Diese soll festlegen, unter welchen Voraussetzungen Investitionen den Anforderungen aus dem Pariser Klimaabkommen sowie den Umweltzielen der Europäischen Union gerecht werden. Die Taxonomie soll künftig als Grundlage dienen, um grüne Finanzprodukte zu bewerten. Unternehmen könnten sie nutzen, um über die eigene Nachhaltigkeit zu berichten. Gilt zum Beispiel Atomkraft oder Erdgas als nachhaltige Energie, dann ist es möglich, dass grüne Fonds diese im Portfolio enthalten. Investitionen in die Bereiche Atomkraft und Gas könnten von Banken als „nachhaltige Investitionen“ bezeichnet und beworben werden.

Atomkraft und Gas sind grüne Energien? Nein, denn bei der Förderung von Erdgas wird Methan freigesetzt und bei der Nutzung von Gas und Atomenergie entsteht CO2. Hinzu kommen ungeklärte Fragen der Lagerung von Atommüll sowie Sicherheitsprobleme bei Atomkraftwerken. Beide Energieformen sind kaum grün und kommen nicht für „nachhaltige Investitionen“ in Frage.

#olafschummelt: Umweltschützer:innen mahnen Kanzler zur Einhaltung der Klimaziele

Dies Jahr kündigte die bisherige Verfechterin des „Green Deal“ – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – an, Gas und Atomkraft als Formen für „nachhaltige Energie“ in die überarbeitete Taxonomie aufnehmen zu wollen.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist in der Angelegenheit bislang still. Es gibt noch keine Aussage zur EU-Taxonomie: weder Zustimmung noch Ablehnung. In den sozialen Netzwerken, vor allem Twitter, häufen sich jedoch Kommentare zu Scholz‘ Schweigen. Dem Bundeskanzler wird unterstellt, Greenwashing zu betreiben, indem er Atomkraft und Gas voraussichtlich als nachhaltig und zukunftsträchtig einschätzt (mit allen daraus resultierenden Vorteilen und Finanzspritzen für diese Branchen).

Jetzt rufen Nutzer:innen auf Twitter dazu auf, die Entscheidung zu verhindern und machen ihrem Ärger über die Pläne Frau von der Leyens sowie über die erwartete Zustimmung des Bundeskanzlers Luft.

So schreibt ein User: „#olafschummelt zeigt ein Dilemma: Atomkraft und Erdgas sind deswegen momentan nicht vom europäischen Markt zu denken, weil sie Jahrzehnte wider besseren Wissens unter Lobbyeinflüssen massiv gefördert wurden. Jetzt haben wir den Salat – und fossile Lobby lässt die Korken knallen.“

Streit um die Einstufung von Atomkraft

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition ist festgehalten, dass Gas als Übergangslösung notwendig sein wird. Anders ließe sich eine Versorgungssicherheit in Deutschland mittelfristig nicht gewährleisten. Auf längere Sicht bleibt die Energiewende das gemeinsame Ziel und der wachsende Strombedarf soll künftig zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

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Kernenergie keine Zukunft geben: Petition jetzt unterschreiben!

Ein Skandal: Einstufung von Kernenergie als Grüne Energie. Petition jetzt unterschreiben! https://www.change.org/p/eu-kommissionschefin-ursula-von-der-leyen-und-eu-kommissar-frans-timmermans-super-gau-f%C3%BCr-europas-energiewende-stoppt-das-greenwashing-von-atomkraft-und-gas

Christian Dauck

Die Bewertung von Erdgas und Atomstrom ist dabei innerhalb der EU umstritten. Verschiedene Länder wollen, dass auch Kernenergie als „grüne Energie“ eingestuft wird, darunter Frankreich. Dies käme den aktuellen Bestrebungen Frankreichs sehr entgegen, denn Präsident Macron plant aktuell den Ausbau der Kernenergie in Frankreich. Der Wunsch: Neue Atomkraftwerke sollen (in Frankreich) gebaut und die EU-Finanzierung dafür erleichtert werden.

Noch keine Entscheidung zur Taxonomie

Bislang ist die Taxonomie nicht verabschiedet, doch bereits bis Ende 2021 (oder spätestens im Januar 2022) soll dies erfolgen. Es bleiben also nur noch wenige Tage. Wie hinsichtlich „nachhaltiger Investitionen“ – also der Einstufung als „grüne Branchen“ oder „grüne Energie“ – entschieden wird, hat weitreichende Folgen. Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland, meint:

„Die Folgen einer unglaubwürdigen und nicht wissenschaftsbasierten Taxonomie wären verheerend. (…) EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gefährdet ihren eigenen Green Deal – zusammen mit den EU-Klimazielen und der Führungsrolle der EU bei nachhaltigen Finanzen. Sie ist kurz davor, ein glaubwürdiges Instrument zur Finanzierung der Transformation für politische Interessen zu opfern.“

MATTHIAS KOPP (LEITER SUSTAINABLE FINANCE, WWF DEUTSCHLAND)

Quelle: https://utopia.de/news/olaf-schummelt-umweltschuetzerinnen-warnen-vor-entscheidung-von-bundeskanzler-scholz/