
Die EU-Abgeordneten haben ihre Position zum Digital Services Act (DSA) beschlossen. Grenzüberschreitende Löschanordnungen kommen, Tracking wird eingeschränkt.
Behörden aller Art sollen Host-Providern künftig ohne Richtervorbehalt grenzüberschreitende Anordnungen schicken können, um gegen illegale Inhalte wie strafbare Hasskommentare, Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauch oder die unautorisierte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke vorzugehen. Betroffene Plattformen müssen solche Angebote dann „ohne unangemessene Verzögerung“ sperren oder blockieren und bei schweren Straftaten zudem an die Polizei melden.
Für eine solche Vorgabe hat sich das EU-Parlament mit breiter Mehrheit von 530 zu 78 Stimmen bei 80 Enthaltungen am Donnerstag in der Plenarabstimmung zum Digital Services Act (DSA) ausgesprochen. Es folgte dabei weitgehend der Empfehlung des federführenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO). Mit dem Beschluss haben die Volksvertreter ihre Linie zu dem sogenannten Plattform-Grundgesetz verabschiedet. Auf dieser Basis finden nun die Verhandlungen mit den EU-Staaten über einen finalen Kompromiss statt. Der Ministerrat hatte seine Position bereits im November abgesteckt.
Anweisungen und Rechtsbehelfe
Grenzüberschreitend soll die Wirkung einer Anweisung gegen illegale Inhalte laut DSA in der Regel auf das Hoheitsgebiet des anordnenden EU-Lands beschränkt werden. Die Abgeordneten wollen ferner sicherstellen, dass Nutzern und den betroffenen Firmen „wirksame Rechtsbehelfe“ zur Verfügung stehen. Diese sollen die Wiederherstellung von Inhalten einschließen, die fälschlicherweise als rechtswidrig angesehen und entfernt wurden.
Das Parlament will zudem gewährleisten, dass Meldungen nicht willkürlich und auf diskriminierende Weise bearbeitet werden. Die Grundrechte – wie etwa das auf freie Meinungsäußerung – seien beim Erlassen und Befolgen einschlägiger Anordnungen zu beachten.
Ausnahmen für kleine Unternehmen
Die Bestimmungen beziehen sich auch auf schädliche Inhalte wie Desinformation. Darauf zielen vor allem Auflagen für Empfehlungssysteme, die Plattformen etwa in ihren News-Feeds verwenden. Mit dem DSA müssten sie die Funktionsweise der dafür genutzten Algorithmen transparent machen. Ferner sollen Plattformen für automatisierte Entscheidungen stärker zur Verantwortung gezogen werden.
Zu den erfassten digitalen Services gehören Mittlerdienste wie Internetprovider und Domain Registrierstellen. Erfasst werden auch soziale Netzwerke, E-Commerce-Anbieter sowie Cloud- und Webhoster. Ihre Pflichten variieren je nach Rolle, Größe und Auswirkungen. Für kleine Unternehmen fordern die Abgeordneten Ausnahmen.
Microtargeting und Cookies
Kernelemente des DSA-Entwurfs sind neben Maßnahmen zur Entfernung von Inhalten („Notice and Action“) aktualisierte Haftungsvorschriften und Regeln für personalisierte Reklame. Eine fraktionsübergreifende Koalition, Bürgerrechtler sowie Teile des Mittelstands drängten hier auf ein weitgehendes Verbot von „spionierender Werbung“ mit Microtargeting. So weit ging das Parlament nicht, es will aber die Verwertung besonders sensibler Daten zu Herkunft, Gesundheit sowie sexueller oder politischer Orientierung untersagen. Gezielte Reklame bei Minderjährigen soll zudem generell untersagt werden.
Plattformen müssen ferner dafür sorgen, dass Nutzer einfach und informiert im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in gezielte Werbung einwilligen können. Ein Nein darf dabei „nicht schwieriger oder zeitaufwändiger“ sein als ein Opt-in. Die Volksvertreter wollen so etwa „Do not Track“-Einstellungen im Browser gesetzlich verankern, um das Aufploppen von Einwilligungsbannern zu reduzieren. Stimmt ein Nutzer nicht zu, soll er „andere faire und angemessene Optionen“ für den Zugang zu einer Plattform erhalten.
Dark Patterns
Enthalten ist ferner eine Klausel gegen Design-Tricks wie „Dark Patterns“. Plattformbetreiber dürfen demnach die Struktur oder Funktionsweise ihrer Online-Schnittstelle oder eines Teils davon nicht dazu verwenden, um eine freie Entscheidung oder Wahl der Nutzer zu verhindern. Anbieter dürfen zwar prinzipiell weiter direkt mit Usern interagieren, um ihnen Dienste anzubieten. Ein wiederholtes Einfordern einer Einwilligung in eine Datenverarbeitung ist aber untersagt, wenn einmal ein Nein erfolgte. Ein Anbieter darf eine von ihm bevorzugte Option zudem nicht etwa farblich hervorheben.
Sehr große Online-Plattformen mit über 45 Millionen Usern müssen Risikoabschätzungen durchführen und ausgemachte Gefahren etwa für die Demokratie, den öffentlichen Diskurs oder den Jugendschutz minimieren. Sie sollen ihre Daten mit Behörden, Forschern und zivilgesellschaftlichen Organisationen teilen, damit ihre Arbeitsweise überprüft und ein Lagebild erstellt werden kann. Die Volksvertreter wollen es Nutzern und Verbraucherschutzorganisationen ermöglichen, Schadenersatz zu verlangen, wenn Betreiber ihre Sorgfaltspflicht nicht eingehalten haben.
Aus für Deepfakes und Rachepornos
Entdeckt eine sehr große Plattform Deep Fakes, also manipulierte Bild-, Audio- oder Videoinhalte zum täuschend echten Nachahmen einer Person, muss sie diese entsprechend kennzeichnen. Solche Netzwerke sollen auch ein alternatives Empfehlungssystem anbieten, das nicht auf Profiling basiert.
Das Parlament drängt auch auf einen neuen Artikel zum bildbasierten sexuellen Missbrauch auf Porno-Plattformen. Nutzer sollen Bilder, Videos oder Texte auf Erotik-Portalen wie Pornhub und xHamster erst hochladen dürfen, wenn sie beim Betreiber eine E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer hinterlegt haben. Vorgesehen ist zudem ein einfacher Meldemechanismus für „Rachepornos„. Online-Marktplätze sollen die Verbreitung rechtswidriger Produkte oder Dienstleistungen durch Gewerbetreibende, die ihren Dienst nutzen, bestmöglich erkennen und mithilfe einer Datenbank verhindern.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Vorgezeichnet ist ein Recht auf durchgehende Verschlüsselung. „Die Mitgliedstaaten dürfen Anbieter von Vermittlungsdiensten nicht daran hindern, Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste anzubieten“, fordern die Volksvertreter. Dies sei für das Vertrauen ins Netz und die Cybersicherheit unerlässlich. Die EU-Länder sollen Diensten wie Facebook, WhatsApp, Signal & Co. ferner keine „allgemeine Pflicht auferlegen, die anonyme Nutzung ihrer Dienste einzuschränken“.
Mehrere Ausschüsse und Fraktionen hatten noch hunderte Änderungsanträge eingebracht, die aber nur noch teils eine Mehrheit fanden. Der Innenausschuss machte sich etwa vergeblich dafür stark, dass Gerichte über Löschanordnungen entscheiden sollen. Die Abgeordneten stimmten aber etwa für einen Antrag, wonach die Geschäftsbedingungen von Plattformen grundrechtskonform sein und etwa die Meinungs- und die Medienfreiheit einhalten müssen. Betreiber sollen zudem „angemessene Anstrengungen“ unternehmen, um die anonyme Nutzung und Bezahlung von Online-Diensten zu ermöglichen.
Binnenmarktkommissar Thierry Breton freute sich, dass die EU mit dem Beschluss einen „historischen Schritt“ gehe, um den „Wilden Westen“ zu beenden, „der unseren Informationsraum dominiert“. Es werde sichergestellt, dass die neuen Regeln EU-weit einheitlich angewendet würden. Sie gälten für „alle Akteure“, nicht nur für europäische. Auf Twitter titulierte der Franzose den DSA sogar als „neuen Sherriff in der Stadt“ unterlegt von kommentierten Szenen aus dem Western „Zwei glorreiche Halunken“. Deutsche Politiker hoffen vor allem, mit dem DSA stärker gegen Hass und Hetze sowie Impfpassfälschungen auf dem Chat-Dienst Telegram vorgehen zu können.
Neben dem neuen NetzDg und der in wenigen tagen startenden Übermittlung Strafbarer Inhalte ans BKA ist der Digital Services Act eine weiter ganz große Liebe die mein Herz höher schlagen lässt. Endlich beginnt die Heiße Phase im Gesetzgebungsverfahren. „Alles, was offline verboten ist, muss auch online verboten sein“, sagt die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose, die den Gesetzentwurf aus dem EU-Parlament federführend betreut. Dem kann ich nur zustimmen.
Big-Tech das ich nicht lache eher Big Straftäter und Unterstützer für Kriminalität im digitalen Raum. Endlich wird Facebook, Googel, Twitter usw. an die kurze leine genommen sich mal um ihren Digitalen Müll zu kümmern. Erst schafft man diese Sozial-Media und dann kann man das nicht kontrollieren, das ist ein NO-GO – wenn man sowas aufbaut muss man es auch kontrollieren. Bar und Disco Betreiber in der Offline-Welt müssen das auch, gegen Drogen, Leute die sich nicht benehmen und und..
Warum sollte Big-Tech alias Big Straftäter eine Ausnahme bekommen, diese kriminelle Bande (Die mir schon lange ein Dorn im Auge sind) kann vielleicht in den USA machen was Sie wollen, aber an der Europäischen-Außengrenze haben die es ganz einfach zu unterlassen und sich unsere Gesetzte zu halten, Schluss mit dem digitalen Wilden Westen für diese Banditen (Facebook, Googel, Twitter usw.) – das sind ganz schwere Jungs die es Faustdick hinter den Ohren haben. Endlich legt Sie die EU übers Knie. Besser kann man nicht ins Wochenende starten.
Christian Dauck
Strengere EU-Regeln für Tech-Konzerne

Stand: 20.01.2022 10:58 Uhr
Das EU-Parlament entscheidet heute über den „Digital Services Act“. Das Gesetzespaket sieht strengere Regeln für Tech-Konzerne vor. Die Plattformen werden stärker in die Verantwortung genommen.Von Stephan Ueberbach, ARD-Studio Brüssel
Schluss mit dem digitalen Wilden Westen, ein neuer Sheriff ist in der Stadt – so heißt es in Brüssel. Die EU hat sich einiges vorgenommen. Es geht um nichts Geringeres als um das „erste Grundgesetz für das Internet“. Der zuständige Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat sogar extra ein Twitter-Video mit Western-Atmosphäre produziert.
Der „Digital Services Act“ (DSA), das Gesetz über digitale Dienste, soll die Online-Welt verändern und die enorme Marktmacht der großen Konzerne einschränken. Facebook, Google, Twitter, Amazon und die anderen Digital-Giganten müssen sich in Europa auf schärfere Regeln einstellen.
„Alles, was offline verboten ist, muss auch online verboten sein“, sagt die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose, die den Gesetzentwurf aus dem EU-Parlament federführend betreut. Vorgesehen ist unter anderem, dass die großen Plattformen mehr Verantwortung für ihre Marktplätze im Internet übernehmen, damit keine gefälschten oder gefährlichen Produkte mehr verkauft werden.
Schritte gegen illegale Inhalte, Hass und Hetze
Nach dem Willen des Europaparlaments sollen die Online-Dienste in Zukunft schneller als bisher gegen illegale Inhalte wie Hass oder Hetze vorgehen und zum Beispiel Live-Übertragungen von Terroranschlägen – wie zuletzt in Neuseeland passiert – möglichst verhindern.
Außerdem dürfen die Konzerne persönliche Daten von Kindern und Jugendlichen nicht mehr für gezielte Werbung und individuell zugeschnittene Inhalte nutzen, etwa für die Verbreitung überzogener Schönheitsideale, weil das bei den Nutzern zu Magersucht führen kann.
Mehrheit im Parlament gilt als sicher
Trotz aller Bedenken aus unterschiedlichen Richtungen: Eine Mehrheit für die Pläne gilt als sicher. Mit der Entscheidung des Parlaments sind allerdings noch nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt. Die Abgeordneten müssen sich jetzt mit den Vertretern der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission auf eine gemeinsame Linie verständigen. Die Verhandlungen sollen in den nächsten Tagen beginnen.
Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/eu-digital-service-act-101.html
Digital Services Act: „Total krasses Vorhaben“
Das EU-Parlament bringt ein Gesetz auf den Weg, das schon jetzt als historisch gilt. Weltweit zum ersten Mal versucht ein Gesetzgeber, die Grundrechte der Bürger*innen auf Google, Facebook & Co. durchzusetzen.
„Schweizer Taschenmesser“ für die Kriminalitätsbekämpfung
Immerhin im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung habe die EU schon jetzt Großes geleistet, findet Matthias Kettemann, Rechtsprofessor an der Universität Innsbruck: Die deutschen Gesetze zur Bekämpfung illegaler Inhalte, allen voran das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG), nähmen sich aus wie ein „Zahnstocher“ im Vergleich zu dem „Schweizer Taschenmesser“, das die EU da vorlege.
Dieses Gesetz schreibe den Konzernen nicht nur vor, so Kettemann, üble Morddrohungen und Aufrufe zum Umsturz umgehend zu löschen und an die Behörden zu melden – sondern auch alle Arten illegaler Aktivitäten. Von Drogenverkäufen bis zum Waffenhandel. Positiv sei auch der Verzicht auf Löschfristen, findet Julia Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte: Nur bei eindeutigen Äußerungen und Aktivitäten müssten die Konzerne sofort löschen. Ansonsten sollen sie die Entscheidungen der Gerichte abwarten.
Empfindliche Geldstrafen, politischer Druck
Alles Regelungen, an die sich aus Sicht von Expert*innen die Konzerne wahrscheinlich halten werden. Denn da sind zum einen die saftigen Sanktionen, die der DSA vorsieht: Die EU droht Konzernen, die ihre Netzwerke nicht entsprechend regulieren, hohe Geldstrafen an. Letzte Details seien noch in Ausarbeitung, so Kettemann, „aber nach aktuellen Berichten sind sehr hohe Strafen vorgesehen, die bis zu 20 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes und – letztlich – auch hin zur Aufspaltung und Zerschlagung von Plattformen führen können“.Hält den „Digital Services Act“ für das „Schweizer Taschenmesser“ bezüglich der Kriminalitätsbekämpfung im Netz: Matthias Kettemann, Rechtsprofessor an der Universität Innsbruck.
Zum anderen werde auch der politische Druck, der mit einem solchen Gesetzespaket einher geht, über kurz oder lang Wirkung entfalten, glaubt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC). Selbst auf Unternehmen, die sich bislang Regulierungen entziehen: „Wenn Telegram irgendwann Geld verdienen will“, etwa indem es Werbung von EU-Unternehmen schaltet, „können die sich schwerlich den europäischen Gesetzen entziehen“.