Umstrittener Messengerdienst: Innenministerium spricht erstmals mit Telegram/BKA richtet Taskforce zu Telegram ein

Die Betreiber des umstrittenen Messengerdienstes Telegram mit Sitz in Dubai waren für die deutschen Behörden lange unauffindbar. Nun kam es Medienberichten zufolge erstmals zu einem Gespräch – dank der Hilfe von Google.

Das Bundesinnenministerium hat laut eigenen Angaben nach anhaltendem Druck einen direkten Kontakt zur Konzernspitze des umstrittenen Messengerdienstes Telegram herstellen können. Ein Ministeriumssprecher sagte den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), dass am Mittwoch „ein konstruktives Gespräch mit Vertretern aus der Konzernspitze von Telegram per Videokonferenz“ stattgefunden habe. Der Kontakt sei demnach über eine von der Suchmaschine Google vermittelte E-Mailadresse zustande gekommen.

Das Gespräch habe demnach Staatssekretär Markus Richter aus dem Bundesinnenministerium mit weiteren Vertretern des Bundesinnen- und des Bundesjustizministeriums geführt. Dabei habe die Spitze von Telegram ihre größtmögliche Kooperationsbereitschaft mit den deutschen Behörden erklärt. Für den künftigen direkten Austausch sei von Telegram ein hochrangiger Ansprechpartner benannt worden. Der Ministeriumssprecher sagte dem RND: „Das Bundesinnenministerium wertet diesen hergestellten Kontakt als großen Erfolg und wird den weiteren Austausch mit Telegram fördern und intensivieren.“ 

Aufrufe von Demonstrationen hin zu Mord

Telegram dient Corona-Leugnern und Verschwörungsideologen als Plattform zur Verbreitung ihrer Inhalte und von Aufrufen zu Demonstrationen. Vermehrt wurden in den vergangenen Monaten Aufrufe zu Gewalt und sogar Mord bekannt. Die Sicherheitsbehörden hatten sich lange um einen Kontakt zu den Menschen hinter der Plattform bemüht, die sich nicht an Aufforderungen zum Löschen von Hassbotschaften und illegalen Inhalten hielten. Einige Politiker hatten deshalb mit der Blockierung des Dienstes in Deutschland gedroht, falls sich Telegram nicht an hiesige Gesetze halte.

Bundesjustizminister Marco Buschmann drohte den Plattformbetreibern in der „Rheinischen Post“ und dem „General-Anzeiger“ unterdessen mit der Vollstreckung von Vermögen und strafrechtlicher Verfolgung auch außerhalb der EU. „Die Rechtslage ist eindeutig“, sagte er den Zeitungen. „Wir werden beispielsweise prüfen, ob und wo Telegram Vermögen hat, in das wir im Falle eines rechtskräftigen Bußgeldbescheides vollstrecken können.“ 

Telegram sei mehr als ein Messengerdienst. Es biete die öffentlichen Funktionen eines sozialen Netzwerkes und müsse sich an das dafür gültige deutsche Recht halten. „Dazu gehört unter anderem, einen Ansprechpartner für deutsche Behörden zu benennen, wenn auf Telegram zu Straftaten aufgerufen wird, indem zum Beispiel sogenannte Feindeslisten veröffentlicht werden.“ Telegram komme dieser Verpflichtung nicht nach. 

Zwei Bußgeldverfahren laufen gegen Telegram

Gegenwärtig würden zwei Bußgeldverfahren gegen Telegram geführt, betonte Buschmann. Es sei allerdings nicht gelungen, die dazu fälligen Bescheide für eine Anhörung dem Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten auch erfolgreich zuzustellen. „Als nächstes werden wir deshalb den Weg der öffentlichen Zustellung gehen, indem wir eine Benachrichtigung im Bundesanzeiger veröffentlichen. Wir werden also nicht lockerlassen.“

Die Herausforderung liege allerdings darin, deutsches oder europäisches Recht auch durchzusetzen, wenn ein Unternehmen wie Telegram seinen Sitz in Dubai und somit außerhalb der EU habe, so Buschmann. „Uns fehlen also keine Strafrechtsnormen oder Gesetze, aber es braucht eine gewisse Ausdauer, um an das Unternehmen heranzukommen.“

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/telegram-121.html


BKA richtet Taskforce zu Telegram ein

Hetze, Bedrohungen oder gar Tötungsaufrufe: Der Chef des Bundeskriminalamts, Münch, nennt die Entwicklung bei Telegram „besorgniserregend“. Die Behörde richtete deshalb nun zur Verfolgung von Straftaten bei dem Messenger-Dienst eine Taskforce ein.

Der Messenger-Dienst Telegram dient Corona-Leugnern und Verschwörungsideologen als Plattform zur Verbreitung ihrer Inhalte und ihrer Aufrufe zu Demonstrationen. Vermehrt wurden in den vergangenen Wochen Aufrufe zu Gewalt bekannt. Zur Verfolgung von Straftaten bei Telegram hat das Bundeskriminalamt (BKA) nun eine eigene Taskforce eingerichtet.

Ziel sei es, „Tatverdächtige zu identifizieren und strafrechtlich zu verfolgen“, teilte die Behörde in Wiesbaden mit. Dies geschehe in enger Abstimmung mit den Polizeien der Bundesländer und der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.

Zusätzlich erhebe das BKA gemeinsam mit den Landeskriminalämtern das Kooperationsverhalten von Telegram bei Löschungsanregungen und Bestandsdatenabfragen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität, erklärte die Behörde weiter. Ziel sei die Verbesserung der Kooperation, insbesondere bei der Aufklärung von Aufrufen über Telegram zu Tötungsdelikten und weiteren schweren Straftaten.

Münch: „Besorgniserregenden Entwicklung“

„Insbesondere die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass sich Menschen auf Telegram radikalisieren, andere bedrohen oder sogar Mordaufrufe veröffentlichen“, erklärte BKA-Präsident Holger Münch. Der Rechtsstaat müsse dieser „besorgniserregenden Entwicklung“ entschlossen begegnen.

„Wir streben die Zusammenarbeit mit Telegram an, treffen unsere Maßnahmen aber auch, wenn Telegram nicht kooperieren sollte“, stellte Münch klar.

Entwicklung zu einem Medium der Radikalisierung

Telegram entwickelt sich nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden zunehmend zu einem Medium der Radikalisierung. Besonders betroffen sind Politiker sowie Experten aus Wissenschaft und Medizin, die sich bei der Bewältigung der Corona-Pandemie öffentlich engagieren. 

Mitte Dezember durchsuchte die Polizei Objekte von Mitgliedern einer Chat-Gruppe, die auf Telegram Mordpläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) hegten.

Nach dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist die Plattform zwar verpflichtet, diese Inhalte zu löschen. Dies geschieht bis jetzt jedoch nicht. Auch den durch das Gesetz vorgeschriebenen Ansprechpartner hat das in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Unternehmen für Deutschland bislang nicht benannt.

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/bka-telegram-101.html