Wahlkampf-Endspurt in Schleswig-Holstein: So lief der Wahlkampf im Norden

Stand: 06.05.2022 17:06 Uhr

Der Wahlkampf in Schleswig-Holstein plätscherte so dahin. Inhaltliche politische Auseinandersetzungen blieben selten. Und das lag nicht nur an der Weltlage.

Auf den allerersten Blick hat das Hauptthema im schleswig-holsteinischen Wahlkampf nicht viel mit Landespolitik zu tun. Es geht um das Geschehen in Kiew, Mariupol, Moskau, und vielleicht noch in Berlin und Brüssel. Der russische Angriff auf die Ukraine ist das dominierende Thema bei der Wahl im nördlichsten Bundesland – auch wenn in Kiel nicht über die Außen- und Sicherheitspolitik entschieden wird. Doch die Auswirkungen sind auch hierzulande spürbar, ganz konkret etwa beim Tanken oder Einkaufen – und damit wichtig im Landtagswahlkampf.

Im Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine gab es noch wenig Kontroversen, doch bei anderen Themen endeten die Gemeinsamkeiten. Etwa in der Energie-, Sozial- und Innenpolitik traten die Parteien mit unterschiedliche Forderungen, Konzepten und Prioritäten an. Meist klingen sie altbekannt, doch haben sie nach Beginn des Krieges mindestens ein Argument mehr bekommen. So richtig in Fahrt kam die politische Auseinandersetzung aber zu keinem Zeitpunkt. Eher plätscherte der Wahlkampf so dahin.

„Kurs halten“ ist das norddeutsche „Weiter so“

Das liegt auch an der Ausgangslage: CDU-Regierungschef Daniel Günther ist in Umfragen der Konkurrenz enteilt. Seine persönlichen Zustimmungswerte sind hervorragend, aber auch die Zufriedenheit mit der derzeitigen Landesregierung von CDU, Grünen und FDP ist hoch, selbst bei SPD-Anhängern. Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Meinungsforscher Wechselstimmung nennen. So plakatierte die CDU ihr Weiter-So-Wahlkampfmotto „Kurs halten“ oft mit einem Bild von Günther. Der 48-Jährige tourte durchs Land, zeigte Gesicht, schüttelte Hände, unterstützte örtliche Kandidaten. Nur eine Corona-Infektion in der heißen Wahlkampfphase bremste ihn zuletzt etwas aus.

Der Unbekannte

Die gegensätzliche Ausgangslage musste die SPD mit ihrem Herausforderer Thomas Losse-Müller bewältigen. Der ehemalige Staatskanzleichef warb zwar damit, den Apparat der Landesregierung und viele Leute dort gut zu kennen – und gab sich überzeugt, auch handwerklich manches besser zu können. Losse-Müller war zuletzt als Unternehmensberater in Ministerien im Einsatz.

Doch die Menschen außerhalb der Politik kannten ihn nicht. Und zunächst war es auch schwer für ihn, daran etwas zu ändern: In der Anfangsphase des Wahlkampfs, in der er sich wohl gern bekannter gemacht hätte, gab das die Corona-Lage nicht her. Es war nicht die Zeit für Versammlungen und auch nicht für Haustürwahlkampf. Losse-Müllers Notlösung: Er bot telefonische Bürgersprechstunden an. In den Vierteln hingen dann Plakate an Laternenmasten mit einem Foto von ihm – und seiner Handynummer.

Zwei Mal musste Losse-Müller selbst wegen Corona pausieren. Durchgedrungen ist er letztlich offenbar kaum: Nur ein Drittel der Befragten konnten beim ARD-DeutschlandTrend Ende April etwas dazu sagen, ob sie zufrieden mit seiner Arbeit sind – oder nicht. Die allermeisten kannten ihn nicht.

nhaltlich versuchte Losse-Müller, die Jamaika-Regierung vor allem in der Sozialpolitik zu stellen und mit klassischen SPD-Themen wie kostenloser Kita-Grundbetreuung, Mietpreisbremse und mehr sozialem Wohnungsbau zu punkten. Er trat für Entlastungen für Familien ein, die durch die Preissteigerungen infolge des Ukraine-Kriegs besonders betroffen waren. Doch auch mit diesen Themen drang er kaum durch.

Grüne zwischen Partnern und Ex-Partnern

Viele bekannter als Losse-Müller ist die grüne Spitzenkandidatin Monika Heinold – auch qua Amt: Sie ist seit zehn Jahren Finanzministerin in Schleswig-Holstein. Heinold hatte diesen Posten auch in einer Koalition aus SPD, Grünen und SSW inne. Und so kam es, dass sie in Wahlkampfdiskussionen schon mal zwischen den aktuellen und den früheren Koalitionspartnern stand.

Je nach Thema verteidigte sie den Kurs der Jamaika-Koalition, stellte den grünen Erfolg heraus und wünschte sich mehr davon. Mit Blick auf die Diskussion um die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen nahm sie für ihre Partei in Anspruch, schon immer für mehr Energie-Autonomie geworben zu haben. Sie will die erneuerbaren Energien nun zügiger ausbauen. Als Ministerpräsidentin würde sich selbst um das Thema Klimaschutz kümmern.

Auch AfD und SSW warben damit, gegen steigende Preise vorgehen zu wollen. Die FDP setzte sich für Investitionen in die Infrastruktur ein und und begrüßte, dass Großprojekte wie das LNG-Terminal in Brunsbüttel nun angesichts der Weltlage schneller geplant werden.

Wer könnte regieren?

Auch wenn die Umfragen auf einen deutlichen Wahlsieg der CDU hindeuten, ist bisher kaum absehbar, wie die neue Landesregierung am Ende aussehen wird. Diese Szenarien gibt es:

  • Jamaika-Koalition (CDU-Grüne-FDP): Sie wurde von CDU-Regierungschef Günther immer als Wunschkoalition genannt. Sie käme aber nur zustande, wenn nicht zwei der Partner (Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb) allein eine Mehrheit haben. Denn als nicht zwingend notwendiger Partner will keine Partei in eine Koalition.
  • Schwarz-Grün (CDU-Grüne): Auch wenn es inhaltlich zum Teil große Differenzen gibt, funktioniert die Zusammenarbeit, sie ist in der aktuellen Jamaika-Koalition erprobt. Dieses Bündnis ist nach den jüngsten Umfragen rechnerisch auf jeden Fall möglich.
  • Schwarz-Gelb (CDU-FDP): Der bürgerliche Koalitionsklassiker ist den Umfragen zufolge im Bereich des Möglichen. Inhaltlich dürfte es kaum Probleme geben.
  • Schwarz-Gelb-SSW: Der SSW hat angekündigt, mit allen demokratischen Parteien reden zu wollen – und wäre grundsätzlich zu Koalitionen bereit. Eine Regierung nur zu tolerieren, schließt die Partei der dänischen und friesischen Minderheit aus. Bisher hat sie einmal in einer Koalition mit SPD und Grünen regiert.
  • Ampelkoalition (SPD-Grüne-FDP): Wie zuletzt im Bund müsste auch in Schleswig-Holstein vor allem die FDP für dieses Modell begeistert werden. Ob das gelingen kann, wenn sie andere Optionen mit einer starken CDU hat, ist fraglich. Zumal ein weiteres Problem bliebe, das auch die Grünen hätten: Eine Regierung unter Führung einer so schwachen SPD, sprich eine Koalition mit dem großen Wahlverlierer, dürfte schwer zu vermitteln sein.
  • Küstenkoalition (SPD-Grüne-SSW): 2012 bis 2017 erprobt, zum Teil mit Losse-Müller als Staatskanzleichef. Alle Partner müssten gegenüber der jüngsten Umfrage aber zulegen, damit das möglich ist.

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/wahlkampf-schleswig-holstein-101.html


ZDF-Politbarometer Extra: Wahl in Schleswig-Holstein

Kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein liegt die CDU deutlich vor SPD und Grünen, wie das aktuelle ZDF-Politbarometer Extra zeigt.

Wenige Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein kann die CDU von ihrem sehr populären Ministerpräsidenten Daniel Günther profitieren und liegt deutlich vor der SPD und den Grünen, die den Sozialdemokraten Platz zwei im nördlichsten Bundesland streitig machen könnten.

Wenn schon heute gewählt würde, ergäben sich die folgenden Projektionswerte für die Parteien: Die CDU käme zurzeit auf 38 Prozent (unverändert zur Vorwoche), die SPD auf 18 Prozent (minus eins), die Grünen auf 18 Prozent (plus eins), die FDP auf acht Prozent (plus eins), die AfD auf sechs Prozent (unverändert) und der SSW auf sechs Prozent (plus eins). Die anderen Parteien lägen zusammen bei sechs Prozent (minus zwei), darunter keine Partei, die mindestens drei Prozent erreicht. Damit wäre eine Koalition unter Führung der CDU sowohl mit den Grünen als auch mit der SPD mehrheitsfähig, ohne dass dafür ein dritter Partner benötigt würde.

Insgesamt geben diese Projektionswerte, bei denen auch die statistischen Fehlerbereiche von Umfragen zu berücksichtigen sind, lediglich das Stimmungsbild für die Parteien zum jetzigen Zeitpunkt wieder und stellen keine Prognose für den Wahlausgang am kommenden Sonntag dar. Dies gilt insbesondere auch für die Parteien, die an der Fünf-Prozent-Grenze zu scheitern drohen oder knapp darüber liegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der SSW als Partei der dänischen Minderheit nicht der Fünf-Prozent-Hürde unterliegt.

Bis zum Wahltag kann es für die verschiedenen Parteien durch unterschiedliche Mobilisierungserfolge noch zu Veränderungen kommen. Zudem wissen 31 Prozent noch nicht sicher, wen oder ob sie wählen wollen.

Bei der letzten Landtagswahl 2017 kam die CDU auf 32,0 Prozent, die SPD auf 27,3 Prozent, die Grünen auf 12,9 Prozent, die FDP auf 11,5 Prozent, die AfD auf 5,9 Prozent, die Linke auf 3,8 Prozent der SSW auf 3,3 und die anderen Parteien zusammen auf 3,3 Prozent.

Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/220505-politbarometer-schleswig-holstein-landtagswahl-guenther-losse-mueller-heinold-100.html