Im Zentrum der Milchstraße: Blick auf Schwarzes Loch gelungen

Stand: 12.05.2022 15:15 Uhr

Astronomen ist erstmals die Abbildung eines Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße gelungen. Allein das Zusammensetzen der Datenmengen von Radioteleskopen weltweit dauerte mehrere Jahre.

uf einer Pressekonferenz in München, die zeitgleich an sechs weiteren Orten der Erde abgehalten wurde, hat die Europäische Südsternwarte gemeinsam mit dem „Event Horizon Telescope“-Projekt ein epochales Ergebnis der astronomischen Forschung vorgestellt. Es handelt sich um das erste Bild jenes Schwarzen Lochs, das im Zentrum unserer Milchstraße sitzt. Die Menschheit schaut damit zum ersten Mal auf dieses mysteriöse Objekt mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Sagittarius A*.

Die Erde, unser gesamtes Sonnensystem und alle Sterne der Milchstraße bewegen sich auf Kreisbahnen um dieses Schwarze Loch. Dieser Blick hinein ins Zentrum der Milchstraße ist eine bahnbrechende technische Leistung.

So schwer wie vier Millionen Sonnen

Abgebildet wurde der Schatten des riesigen Objekts. Das Schwarze Loch selbst kann nicht abgebildet werden, weil es kein Licht ausstrahlt, sondern alles Licht verschluckt, das ihm zu nahe kommt. Mit seiner unfassbar großen Anziehungskraft zieht es Licht in sein Inneres, aber natürlich auch Gas und Staub und ganze Sterne. Es ist durch diese Fütterung inzwischen schwerer als vier Millionen Exemplare unserer Sonne und damit das größte und schwerste Objekt in unserer Milchstraße.

Zwei Probleme galt es zu lösen

Vor drei Jahren wurde zum allerersten Mal ein Schwarzes Loch im All abgebildet. Es befand sich sogar noch zweitausend Mal weiter entfernt im All als das jetzt sichtbar gewordene Schwarze Loch in der Milchstraße. Hätte man also nicht das näher liegende Schwarze Loch in unserer Milchstraße zuerst zu sehen bekommen müssen als das viel weiter entfernte Objekt in einer unserer Nachbargalaxien? Doch die Entdeckungsgeschichte lief gerade andersherum.

Die Gründe dafür: Das vor drei Jahren abgebildete Schwarze Loch war tausend Mal schwerer als unser „eigenes“ Schwarzes Loch in der Milchstraße – und das macht einen gewaltigen Unterschied. Während das vor drei Jahren abgebildete Objekt durch seine riesige Masse recht ruhig im All sitze und deshalb vergleichsweise leicht abzubilden sei, verfüge das Schwarze Loch der Milchstraße über weniger Masse, sei leichter und verhalte sich deshalb viel unruhiger, sagt Michael Kramer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn, das am „Event Horizon Telescope-Projekt“ beteiligt ist:

Wir mussten neue Methoden entwickeln, wie wir mit diesen Veränderungen während der Aufnahme arbeiten können, um wirklich das Statische, das Feste, das Bild des Schwarzen Loches herauszukitzeln.

Trotz zittriger Unruhe ist es durch das schlaue Verrechnen und Filtern ungeheurer Datenmengen gelungen, Bilder von „unserem“ Schwarzen Loch zu produzieren. Und nicht nur das Zittern haben die Forscherinnen und Forscher in den Griff bekommen. Sie haben sich sogar über den Umstand hinweggesetzt, dass das Schwarze Loch in der Mitte unserer Heimatgalaxie von der Erde aus eigentlich gar nicht zu sehen sein sollte.

Bild mit Radiostrahlung erstellt

Denn die Milchstraße ist geformt wie eine Spirale mit mehreren Armen und alle diese Spiralarme liegen in einer Ebene. Von außen betrachtet sieht die Milchstraße aus wie eine Scheibe mit Spiralmuster. Das Sonnensystem mitsamt der Erde ist Teil dieser Scheibe. Der Blick von der Erde ins Zentrum dieser Scheibe ist vor allem versperrt durch Staub. Deshalb ist das Bild, das jetzt veröffentlicht wurde, auch keines, das mit sichtbarem Licht aufgenommen wurde, sondern eines, das mit Hilfe von Radiostrahlung erstellt wurde.

Radiowellen können den Staub durchdringen und lassen sich mit Antennen auffangen. Aus den empfangenen Signalen lassen sich Bilder erstellen, die zeigen, wie die Region im All aussieht, von der aus die Radiowellen ursprünglich ins All geschickt wurden. Zwar streut der Staub die Wellen ein wenig, aber mit Computerprogrammen lässt sich die Streuung aus dem Bild herausfiltern.

Mehrere Jahre Rechenarbeit notwendig

Ein Radioteleskop hätte nicht ausgereicht, um einen scharfen Radioblick auf das Milchstraßenzentrum zu erhalten. Dafür mussten die weltweit besten Radioteleskope exakt zur selben Zeit auf das Zentrum der Milchstraße gerichtet werden. Das geschieht seit mehreren Jahren in der Regel einmal jährlich im Frühjahr im Rahmen des „Event Horizon Telescope“-Projekts (EHT). Event Horizon, oder Ereignishorizont, nennen Kosmologen den Rand eines Schwarzen Lochs. Und genau das ist das Ziel des Projekts – die großen Schwarzen Löcher im Kern von Galaxien beziehungsweise ihre Umrisse abzubilden.

Die dafür eingesetzten Radioteleskope stehen über die gesamte Erde verteilt – eines davon sogar am Südpol. Sie durch Datenleitungen zu verknüpfen, wäre zu aufwändig und zu fehleranfällig. Deshalb werden die riesigen Datenmengen zunächst auf Festplatten gespeichert. Diese Festplatten werden dann in zwei Rechenzentren transportiert: das eine in Deutschland, am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, das andere in den USA. Erst in diesen Zentren werden die Daten der einzelnen Radioteleskope miteinander kombiniert und auf einem Supercomputer aus den kombinierten Daten die Bilder errechnet.

Rechenarbeit dauerte fünf Jahre

Im Fall des jetzt publizierten Bildes dauerte die Rechenarbeit ganze fünf Jahre. Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und Vorstandsvorsitzender des „Event Horizon Telescope“-Projekts, erklärt:

Die Bearbeitung war tatsächlich sehr schwer – hat sehr lange gedauert, eine langwierige Aufgabe. Und es war schon eine große Freude da, als wir am Schluss sagen konnten: Wir haben das Bild!

Neue Forschungschancen für die Kosmologie

Mit dem superscharfen Blick der im EHT-Projekt verbundenen Radioteleskope wird es möglich, das Verhalten des Schwarzen Lochs in Zentrum der Milchstraße zu beobachten. Damit sollen Fragen beantwortet werden. Wie viel Materie verschlingt es? Wie regelmäßig kommt es deshalb zu Strahlungsausbrüchen? Wie verhalten sich die Sterne, die in nächster Nähe zum Schwarzen Loch um dieses herum kreisen? Vielleicht wird man sogar Einzelbilder zu einer Art Zeitraffer montieren können.

Auf diese Weise könnte man erkennen, ob Einsteins Relativitätstheorie auch in Gegenden, in denen extreme Massen versammelt sind und extreme Anziehungskraft herrscht, alle Vorgänge richtig beschreibt. Denn eines ist klar: Die Physik des Weltalls ist noch nicht komplett verstanden. Es fehlt noch etwas am Theoriegebäude der Physiker. Was an den bestehenden Theorien noch nicht stimmt, das könnte in Extremsituationen am ehesten zutage treten oder auffallen. Und was kann extremer sein als die Schwerkraft eines Millionen Sonnen schweren Schwarzen Lochs?

Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/erster-blick-auf-schwarzes-loch-in-milchstrasse-101.html


Das schwarze Loch der Milchstraße im Bild

Die Beobachtung mit dem Event Horizon Telescope verbessert unser Verständnis der Vorgänge im galaktischen Zentrum

Es sitzt tief im Herzen der Milchstraße, ist 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und ähnelt einem Donut: So präsentiert sich das schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis auf dem Bild, das Forschende mit dem Event Horizon Telescope (EHT) gewonnen haben. Dabei liefert das Team den Beweis, dass dieses Objekt wie vermutet zur Familie der kosmischen Schwerkraftfalle gehört. Die Radiodaten der im weltweiten EHT-Netz verbundenen Observatorien wurden an zwei Supercomputern am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und am Haystack Observatory im US-amerikanischen Massachusetts gewonnen. Beteiligt an der Beobachtung waren auch das Apex-Teleskop des Bonner Instituts sowie die 30-Meter-Antenne des Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM), das zur Max-Planck-Gesellschaft gehört.

Kosmischer Feuerring: Dies ist das erste Bild von Sagittarius A*, dem supermassereichen schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße. Aufgenommen hat es das Event Horizon Telescope (EHT), ein Netzwerk, das Radioobservatorien auf der ganzen Welt zu einem einzigen virtuellen Teleskop von der Größe der Erde zusammenfasst.  Das EHT ist nach dem „Ereignishorizont“ benannt – der Grenze des schwarzen Lochs, jenseits derer kein Licht mehr entweichen kann. Obwohl der Ereignishorizont selbst nicht sichtbar wird, weil er kein Licht aussendet, zeigt glühendes Gas, das um das schwarze Loch wirbelt, eine verräterische Signatur: eine dunkle zentrale Region („Schatten“), die von einer hellen ringförmigen Struktur umgeben ist. Die Aufnahme fängt das Licht ein, das durch die starke Schwerkraft des schwarzen Lochs – es ist vier Millionen Mal massereicher als unsere Sonne – gebeugt wird. Das Bild ist ein Mittelwert der verschiedenen Aufnahmen, welche die EHT-Kollaboration aus ihren Beobachtungen im April 2017 extrahiert hat. Die Bilder lassen sich anhand ähnlicher Strukturen in vier Gruppen („Cluster“) einteilen. Ein gemitteltes, repräsentatives Bild für jede der vier Gruppen in der unteren Reihe dargestellt. Drei dieser Cluster zeigen eine Ringstruktur, allerdings mit unterschiedlich verteilter Helligkeit rund um den Ring. Der vierte Cluster enthält Bilder, die ebenfalls zu den Daten passen, aber nicht ringförmig erscheinen. Die Balkendiagramme zeigen die relative Anzahl der Einzelbilder, die in den jeweiligen Clustern eingehen. Zu den ersten drei Clustern gehören jeweils Tausende von Bildern, während der vierte und kleinste Cluster nur Hunderte von Bildern beinhaltet. Die Höhe der Balken gibt die relativen Beiträge der einzelnen Cluster zum gemittelten Gesamtbild an.
Kosmischer Feuerring: Dies ist das erste Bild von Sagittarius A*, dem supermassereichen schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße. Aufgenommen hat es das Event Horizon Telescope (EHT), ein… [mehr]© EHT-Kollaboration

Das jetzt veröffentlichte Bild ist der lang erwartete direkte Blick auf das Objekt im Zentrum unserer Galaxis, das unter dem Namen Sagittarius A* bekannt ist. Schon seit vielen Jahren nehmen Forschende diesen Bereich der Milchstraße unter die Lupe und beobachten beispielsweise Sterne, die um ein unsichtbares, kompaktes und sehr massereiches Etwas kreisen. Für diese Arbeiten wurden Andrea Ghez von der University of California sowie Reinhard Genzel vom Garchinger Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik im Jahr 2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

„Unsere Entdeckung zeigt, dass es sich bei dem Objekt im galaktischen Zentrum tatsächlich um ein schwarzes Loch handelt“, sagt Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Gründungsvorsitzender des EHT-Aufsichtsrats. Das Bild liefere den ersten direkten visuellen Beweis dafür. Das schwarze Loch selbst ist auf der Aufnahme zwar nicht zu sehen, weil es naturgemäß keine Strahlung aussendet. Doch zeigt das glühende Gas darum herum eine verräterische Signatur – eine dunkle zentrale Region („Schatten“), die von einer hellen ringartigen Struktur umgeben ist. Deren Licht wird durch die immense Gravitation des schwarzen Lochs gleichsam gebeugt.

„Wir waren verblüfft, wie gut die Größe des beobachteten Rings mit den Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie übereinstimmt“, sagt EHT-Projektwissenschaftler Geoffrey Bower vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh. Die Beobachtungen hätten das Verständnis der physikalischen Prozesse in den Zentren von Galaxien erheblich verbessert und würden Erkenntnisse darüber liefern, wie solche riesige Schwerkraftfallen mit ihrer Umgebung wechselwirken.

Da das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, erscheint es uns am Himmel etwa so groß wie ein Donut auf dem Mond. Um es abzubilden, schuf das Team das leistungsstarke EHT, das acht (heute elf) Radioobservatorien auf der ganzen Welt zu einem einzigen virtuellen Teleskop von Erdgröße verbindet. Mit dieser Interferometrie genannten Methode beobachteten die Astronominnen und Astronomen während mehrerer Nächte im April 2017 das Objekt Sagittarius A*. Bei einer Wellenlänge von 1,3 Millimeter sammelten sie über viele Stunden am Stück Daten, ähnlich wie bei der langen Belichtungszeit einer Kamera. Ausgewertet wurden diese Daten von zwei Korrelatoren – Hochleistungsrechner, die am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und am Haystack Observatory stehen.

Das Max-Planck-Institut war zudem auch mit einer Antenne an der Kampagne beteiligt. „Der Beitrag unseres Apex-Teleskops war essenziell, um eine perfekte Kalibrierung der sich verändernden Helligkeit der Quelle zu erreichen und den endgültigen Beweis für den Schatten des schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum zu erbringen“, sagt Direktor Karl Menten.

Weltweites Netz: Als die Forschenden im Jahr 2017 die Daten aus dem Zentrum der Milchstraße sammelten, bestand das Event Horizon Telescope aus acht Observatorien, die über den Globus verteilt sind.
Weltweites Netz: Als die Forschenden im Jahr 2017 die Daten aus dem Zentrum der Milchstraße sammelten, bestand das Event Horizon Telescope aus acht… [mehr]© EHT-Kollaboration

Die aktuelle Beobachtung folgt auf die bereits im Jahr 2019 veröffentlichte erste Aufnahme eines schwarzen Lochs (M 87*) im Zentrum der Galaxie Messier 87, die in wesentlich größerer Entfernung zur Erde liegt. Die beiden Massemonster gleichen sich, obwohl das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße mehr als tausendmal kleiner und viel leichter ist als M 87*. „Wir haben es mit zwei völlig unterschiedlichen Arten von Galaxien und zwei sehr unterschiedliche Massen von schwarzen Löchern zu tun, aber in der Nähe ihrer Ränder sehen sie sich verblüffend ähnlich“, sagt Sera Markoff, Ko-Vorsitzende des EHT-Wissenschaftsrats und Professorin für theoretische Astrophysik an der Universität von Amsterdam in den Niederlanden.

Dieses Mal war die Auswertung der Daten wesentlich schwieriger als bei der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M 87, obwohl uns das Milchstraßenzentrum mit 27.000 Lichtjahren viel näher liegt. Zwar strudelt das Gas praktisch mit derselben Geschwindigkeit um die beiden schwarzen Löcher – fast so schnell wie das Licht. Doch während es Tage bis Wochen braucht, um das größere Objekt M 87* zu umkreisen, vollendet es bei dem viel kleineren Sagittarius A* seine Umlaufbahn in nur wenigen Minuten. „Daher änderten sich Helligkeit und Erscheinungsbild des Gases um Sagittarius A* während unserer Beobachtung sehr rasch“, sagt Chi-kwan Chan von der University of Arizona. „Das ist so, als würde man versuchen, ein scharfes Bild von einem Hund aufzunehmen, der unentwegt mit dem Schwanz wedelt.“

Die Forschenden mussten ausgeklügelte neue Methoden entwickeln, um die Gasbewegungen um das schwarze Loch Sagittarius A* erklären zu können, das rund vier Millionen Sonnenmassen „wiegt“. Dagegen war M 87* mit seinen sechseinhalb Milliarden Sonnenmassen ein einfacheres, stabileres Ziel gewesen. Zudem befinden wir uns mit der Erde in der galaktischen Ebene, was einen Streueffekt in den Radiomessungen verursacht. Zusätzlich erschwert heißes Gas mit geladenen Teilchen und Magnetfeldern in der Sichtlinie die Analyse.

So ist das Bild von Sagittarius A* ein Mittelwert von verschiedenen Bildern, die das Team aus den Daten extrahiert hat. Maßgeblich an der Kalibrierung beteiligt waren Maciek Wielgus sowie Michael Janßen, beide vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Für Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie und den Nachweis eines Ereignishorizonts trug ihr Institutskollege Gunther Witzel die Ergebnisse anderer Beobachtungen zusammen.

Der EHT-Kollaboration gehören weltweit mehr als 300 Forschende aus 80 Instituten an. In den vergangenen fünf Jahren hat das Team unter anderem komplexe Instrumente entwickelt und eine einzigartige Bibliothek von numerisch simulierten schwarzen Löchern zum Vergleich mit den Beobachtungen zusammengestellt. Diese dienen unter anderem dazu, die Theorien der Gravitation zu überprüfen.

Geballte Rechenkraft: Mit diesem Hochleistungscomputer am Max-Planck-Institut für Radioastronomie analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten des Event Horizon Telescope. Ein zweiter sogenannter Korrelator steht am Haystack Observatory in den USA.
Geballte Rechenkraft: Mit diesem Hochleistungscomputer am Max-Planck-Institut für Radioastronomie analysierten die Wissenschaftlerinnen und… [mehr]© MPIfR

Nach den Worten von Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut und einem der Projektleiter des Black Hole Cam-Projekts, war das frühere Bild von M 87* dafür nur bedingt geeignet. „Bei Messier 87 hatten wir keine verlässlichen Vorkenntnisse über die Masse des schwarzen Lochs. Im aktuellen Fall ist das ganz anders. Dank vorhergehender Messungen wie denen von Reinhard Genzel kennen wir sowohl die Entfernung als auch die Masse von Sagittarius A* sehr genau, sodass wir die erwartete Schattengröße berechnen konnten, um sie mit den Beobachtungen zu vergleichen. Und sie passt sehr gut!“ Das Projekt Black Hole Cam wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanziert und spielt eine wichtige Rolle innerhalb der EHT-Kollaboration.

Anhand der Bilder von nunmehr zwei schwarzen Löchern unterschiedlicher Größe können die Forschenden die beiden Objekte miteinander vergleichen und prüfen, wodurch sie sich unterscheiden. Zudem lassen sich mit den neuen Daten etwa Theorien und Modelle darüber testen, wie sich Schwerkraft und Materie in der extremen Umgebung von supermassereichen schwarzen Löchern verhalten. Dies ist noch nicht vollständig geklärt, spielt aber offenbar eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Entwicklung von Galaxien.

IRAM-Direktor Karl Schuster betont die langjährige gemeinsame Pionierarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie und seinem Institut im französischen Grenoble. Und: „Die Ergebnisse des Event Horizon Telescope sind eine ideale Ergänzung der Resultate, die von der Gruppe um Reinhard Genzel am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik im Infrarotbereich mit dem Instrument Gravity erzielt wurden.“ Unterdessen gehen die Messungen mit dem Event Horizon Telescope weiter: An einer großen Kampagne im März 2022 waren elf Observatorien beteiligt. „Jetzt sind wir natürlich alle sehr gespannt, was die EHT-Beobachtungen in den Jahren 2021 und 2022 unter Mitwirkung unseres leistungsstarken Noema-Observatoriums ergeben werden“, sagt Schuster.

Quelle: https://www.mpg.de/18624833/bild-vom-schwarzen-loch-in-der-milchstrasse


„Eine wunderbare Bestätigung unserer Beobachtungen“

Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik über das erste Bild vom galaktischen Zentrum

Mit dem Event Horizon Telescope (EHT) ist es Forschenden gelungen, das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße abzubilden. Dazu verbanden sie weltweit die Radioantennen von acht Observatorien. Reinhard Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, nimmt diese Region im Herzen der Galaxis seit mehr als drei Jahrzehnten unter die Lupe, und zwar im infraroten Licht mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte. Dort verfolgen er und sein Team die Bewegung von Sternen, die das unsichtbare Objekt umschwirren wie Motten das Licht. Im Interview ordnet Genzel, der für seine Beobachtungen zusammen mit Andrea Ghez von der University of California mit dem Physik-Nobelpreis 2020 ausgezeichnet wurde, das jüngste Ergebnis der EHT-Kollaboration ein.

Reinhard Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. 
Reinhard Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.  © Jan Greune

Wie beurteilen Sie das Bild des galaktischen Zentrums vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Messungen?

Reinhard Genzel: Das Bild ist ein sehr schönes Ergebnis und eine wunderbare Bestätigung unserer ultrapräzisen Beobachtungen im infraroten Licht. Wir hatten aus der Umlaufbewegung von Sternen um das schwarze Loch Sagittarius A* dessen Masse mit einer Genauigkeit von 0,1 Prozent und seine Entfernung zur Erde mit einer Genauigkeit von 0,2 Prozent bestimmt. Daraus leiteten wir ab, dass der Schatten des schwarzen Lochs einen Radius von 26 Mikrobogensekunden haben muss. Die Größe des von den EHT-Kollegen gemessenen Schattens stimmt mit dieser Vorhersage innerhalb der Messfehler sehr gut überein. Und der sogenannte Ereignishorizont des Objekts besitzt einen Radius von zehn Mikrobogensekunden – unter diesem Winkel würde eine Ein-Euro-Münze auf dem Mond erscheinen. Auch dieser Wert stimmt hervorragend mit dem Modell eines schwarzen Lochs mit der von unserem Gravity-Team bestimmten Masse von vier Millionen Sonnen überein.

Was lässt sich aus diesen Daten ableiten?

Zusammen mit dem, was wir bisher wussten, können wir nun getrost viele Spekulationen ausschließen, die physikalische Alternativerklärungen zu einem schwarzen Loch enthalten. Dazu zählen etwa aus schweren bosonischen oder fermionischen Elementarteilchen zusammengesetzte Massenkonzentrationen derselben Masse wie des schwarzen Lochs, aber mit wesentlich größerem Durchmesser. Oder extrem dichte Sternhaufen, die sich im Herzen der Milchstraße zusammenballen.

Wie unterscheiden sich Ihre Beobachtungen von denen mit dem Event Horizon Telescope?

Wir nutzen zwar auch die Methode der Interferometrie, also vereinfacht gesagt die Überlagerung von Licht, arbeiten aber im infraroten Bereich mit einem Instrument namens Gravity, das am Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte montiert ist. Dessen Detailauflösung ist im Vergleich zum Event Horizon Telescope, das ja praktisch einem virtuellen Teleskop von Erdgröße gleicht, naturgemäß nicht so hoch. Aber das hat auch sein Gutes: So konnten wir etwa die Helligkeitsschwankungen des Gases, das in geringer Entfernung um das schwarze Loch herumwirbelt, beobachten. Für das Event Horizon Telescope mit seiner enorm hohen Detailauflösung von 20 Mikrobogensekunden war das jedoch ein Problem, weil die Bilder aufgrund der ständigen Variabilität der Materie unscharf werden.

Erst Ihre Ergebnisse, jetzt das Bild – man könnte meinen, es gebe nichts mehr zu beobachten…

Nein, ganz und gar nicht! So würden wir zum Beispiel gern wissen, wie schnell das schwarze Loch rotiert, was es also für einen Spin hat. Das lässt sich aus dem Bild nicht ableiten. Und auch die Neigung der Rotationsebene bleibt unsicher.

Weshalb ist die Kenntnis dieser Größen wichtig?

Die Allgemeine Relativitätstheorie sagt, dass schwarze Löcher lediglich durch Masse und Drehimpuls, also Spin, charakterisiert sind. Zudem gilt bei diesen Objekten das sogenannte No-Hair-Theorem. Will heißen, dass ein schwarzes Loch am Ereignishorizont, also seiner Grenzfläche, keinerlei lokale Struktur aufweist. Kurz: Wenn Sie die genannten beiden Größen Masse und Spin kennen, dann sind Sie fertig, dann haben Sie das schwarze Loch vollständig beschrieben.

Wären dann alle Rätsel gelöst?

Nicht ganz, denn der Theorie zufolge existiert im Kern eines schwarzen Lochs eine sogenannte Singularität. Das ist nach der Relativitätstheorie ein Punkt mit unendlich hoher Masse und unendlich starkem Gravitationsfeld, in dem die Raumzeit nicht mehr definiert ist. Diese Singularität ist nicht zugänglich und ich wüsste nicht, wie man sie jetzt und in Zukunft jemals untersuchen könnte. Bei diesem Problem muss ich passen.

Quelle: https://www.mpg.de/18629666/schwarzes-loch-interview-genzel