Ein internationales Forscherteam, zu dem auch die Bayreuther Professorin Audrey Bouvier zählt, hat Proben des Asteroiden „Ryogu 20“ untersucht. Die Entdeckungen im Laufe der Analyse könnten einen Hinweis auf die Entstehung von Leben geben.

Das Weltall birgt die größten Geheimnisse: Zahlreiche Forscherinnen und Forscher haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, den Weltraum und seine Bestandteile besser zu verstehen. Das war auch die Idee hinter der Mission der Raumsonde Hayabusa2, die von der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA im Jahr 2019 den Asteroiden Ryugu 20 ansteuerte.
Die Sonde sammelte mehrere Proben des Asteroiden, der einen Durchmesser von 0,9 Kilometern hat, und schickte sie in einer Kapsel zur Erde zurück. Die Bayreuther Kosmo-Chemikerin Audrey Bouvier ist Mitglied des internationalen Forschungsteams. Dieses Team war an den ersten in Japan durchgeführten chemischen Analysen der Ryugu-Gesteinsproben beteiligt.
Asteroid Ryugu: Untersuchung liefert wichtige Erkenntnisse
Anders als Meteoriten, die gelegentlich ihren Weg auf die Erde finden, kann bei den Asteroiden davon ausgegangen werden, dass diese nicht durch den Eintritt in die Erdatmosphäre oder den Aufenthalt auf der Erde chemisch verändert wurden. Das macht die Untersuchung der Proben für die Forschenden so spannend.
Die Proben von Hayabusa2 wogen insgesamt etwas mehr als 5,4 Gramm. „Als die Probenbehälter in Japan geöffnet wurden, war die Überraschung groß. Es war weitaus mehr Material, das aussah wie dunkle Kieselsteine, als wir ursprünglich erwartet hatten“, erklärte Bouvier. „Die meisten Proben waren lediglich wenige Millimeter groß. Einzelne Ausnahmen waren bis zu einem Zentimeter groß. Das ist die maximale Größe, die man bei den Probeentnahmen an Asteroid-Oberflächen erhalten kann“, sagte sie.
Bei der Untersuchung der Proben von Ryugu 20 entdeckten die Forschenden, dass die Mineralien in Kontakt mit einer wässrigen Flüssigkeit bei einer Temperatur von etwa 37 Grad Celsius verändert wurden. Außerdem waren sie nie Temperaturen von über 100 Grad Celsius ausgesetzt. Laut Ansicht der Forschenden gebe es Hinweise darauf, dass diese Veränderungen etwa fünf Millionen Jahre nach der Entstehung der ersten Mineralien im Sonnensystem stattgefunden haben.
Wasser auch auf anderen Planeten möglich
Diese Veränderungen lassen Rückschlüsse darauf zu, dass sie in einem der Kleinstplaneten stattgefunden haben, aus denen später Planeten des Sonnensystems geworden sind. Auf dem Vorläufer eines Planeten, einem sogenannten Planetesimal, aus dem Ryugu herausgesprengt wurde, könnte es reichlich Wasser gegeben haben. Das wiederum wäre eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben.
Eine weitere Besonderheit von der Gesteinsproben von Ryugu 20 sind die darin enthaltenen chemischen Elemente. Ryugu ähnelt kohlenstoffhaltigen CI-Chondriten des Meteoriten Ivuna. Besonders stark ist die Ähnlichkeit der Zusammensetzung mit der Fotosphäre der Sonne. Bei der Fotosphäre handelt es sich um die äußere Hülle eines Sterns. Von dieser wird Licht in den Weltraum abgestrahlt, sodass daraus die chemische Zusammensetzung abgeleitet werden kann. Bei der Analyse Asteroiden Ryugu gab es Indizien, dass er von einem Planetesimal abstammt, welches sich am äußersten Rand des Sonnensystems gebildet hat.
Ryugu soll in das Innere des Sonnensystems gewandert sein und gelangte so auf seine heutige erdnahe Umlaufbahn um die Sonne. Laut aktuellen Forschungen wird vermutet, dass Materialien, die am äußersten Rand des Sonnensystems entstanden sind, zur Entstehung der Erde beigetragen haben könnten. Materialien, die Kohlenstoff enthalten, könnten eine wichtige Quelle für die solche „flüchtigen Elemente“ der Erde gewesen sein. Flüchtige Elemente sind etwa Wasserstoff, Sauerstoff oder Kohlenstoff. Sie sind wesentliche Bestandteile der Erdatmosphäre sowie der Ozeane und haben einen entscheidenden Anteil an der Entstehung des Lebens.
Analyse des Asteroids: neue Infos zum Ursprung des Lebens?
Im Vorfeld der Veröffentlichung des „Science“-Artikels gab ein Team internationaler Wissenschaftler*innen bekannt, dass in den Gesteinsproben von Ryugu 20 verschiedene Aminosäuren nachgewiesen wurden. Aminosäuren sind die Bausteine des Lebens auf der Erde. „Es ist das erste Mal, dass Aminosäuren entdeckt wurden, die eindeutig nicht auf der Erde entstanden sind oder verändert wurden. Auch vor diesem Hintergrund ist der Asteroid Ryugu ein spannendes Forschungsobjekt, das aufschlussreiche Erkenntnisse über den Ursprung des Lebens verspricht. Deshalb möchten wir uns an der Universität Bayreuth in Zukunft verstärkt in die Analyse von extraterrestrischen Gesteinsproben einbringen“, erklärte Bouvier.
Marsgestein soll untersucht werden
Zusammen mit Nobuyoshi Miyajima, Mineraloge am Bayerischen Geoinstitut, möchte Bouvier bei der japanischen Raumfahrtbehörde beantragen, dass Ryugu-Proben für weitere mineralogische und chemische Analysen an das BGI ausgeliehen werden. Das BGI plant zudem, Proben von Marsgestein zu untersuchen. Die „National Aeronautics and Space Administration“ (NASA) sowie die European Space Agency (ESA) bestätigten Bouvier als Mitglied der „Mars Sample Return Campaign Science Group“. Das Gremium plant derzeit die Rückführung von Gesteinsproben vom Mars.
Die Raumsonde Hayabusa2 startete am 3. Dezember 2014 und erforschte den Asteroiden Ryugu 17 Monate lang zwischen Juni 2018 und November 2019. Die Mission umfasste zwei Landungen, um Proben des Asteroiden zu sammeln. Bei der zweiten Landung wurde ein Krater erzeugt, damit nicht nur Oberflächenmaterial, sondern auch Gesteinsproben aus tieferen Schichten gesammelt werden konnten. Die Probenkapsel wurde am 6. Dezember 2020 in Australien geborgen und unter strengen Quarantänebedingungen während der Corona-Pandemie nach Japan gebracht.
Das internationale Team, das die Ryugu-Proben bisher analysiert hat, besteht aus insgesamt sechs Forschergruppen, die von Wissenschaftler*innen in Japan geleitet werden. Audrey Bouvier ist Mitglied der Arbeitsgruppe, welche die in den Proben enthaltenen chemischen Elemente und ihre Isotope untersucht. Die Raumsonde Hayabusa2 ist bereits auf dem Weg zu einem anderen Asteroiden.
Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 091/2022 vom 10.06.2022
Neue Erkenntnisse zum Asteroiden Ryugu – Universität Bayreuth an der Erforschung von Weltraumgestein beteiligt
Ein internationales Forscherteam mit Prof. Dr. Audrey Bouvier, Kosmochemikerin am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth, berichtet in „Science“ über mineralogische und chemische Analysen von Gesteinsproben des Asteroiden Ryugu.
Die Raumsonde Hayabusa2 der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA hat 2019 Proben von dem Asteroiden, der einen Durchmesser von 0,9 Kilometern hat, gesammelt und in einer Kapsel zur Erde zurückgeschickt. Die Forschungsergebnisse werden zu neuen Erkenntnissen über die Entstehung des Sonnensystems und die chemische Zusammensetzung der terrestrischen Planeten beitragen. Unter Bouviers Leitung wird die Erforschung von Weltraumgestein am BGI weiter intensiviert. Neben Asteroiden werden hier in den kommenden Jahren auch Gesteinsproben von Mars und Mond untersucht.

Prof. Dr. Audrey Bouvier ist Mitglied des internationalen Forschungsteams, das an den ersten, in Japan durchgeführten chemischen Analysen der Ryugu-Gesteinsproben beteiligt war. Im Gegensatz zu den zahlreichen Meteoriten, die auf der Erdoberfläche eingeschlagen sind, haben die vom Asteroiden entnommenen Proben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind garantiert nicht durch den Eintritt in die Erdatmosphäre oder den Aufenthalt auf der Erde chemisch verändert worden. Sie sind so entstanden, wie sie sind: im Weltraum. Die von Hayabusa2 zur Erde gesandten Gesteinsproben hatten ein Gesamtgewicht von etwas mehr als 5,4 Gramm. „Als die Probenbehälter schließlich in Japan geöffnet wurden, war die Überraschung groß, denn es handelte sich um weitaus mehr Material, als wir ursprünglich erwartet hatten“, sagt Bouvier. „Die Proben in den Behältern sahen aus wie dunkle Kieselsteine. Die meisten waren nur wenige Millimeter groß, einige wenige waren größer – bis zu einem Zentimeter, was nahe an der maximalen Größe liegt, die man bei der Probeentnahme an der Asteroid-Oberfläche erhalten kann.”
Ryugu zeigt Spuren der Geschichte des Sonnensystems
Bei ihrer Untersuchung von Ryugu entdeckten die Forscher, dass die Mineralien in Kontakt mit einer wässrigen Flüssigkeit bei einer Temperatur von etwa 37 Grad Celsius verändert wurden, aber nie Temperaturen von über 100 Grad Celsius ausgesetzt waren. Chronologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese Veränderungen etwa fünf Millionen Jahre nach der Entstehung der ersten Mineralien im Sonnensystem stattgefunden haben. Diese Veränderungen fanden in einem der unzähligen Kleinstplaneten (Planetesimale) statt, aus denen sich später die Planeten des Sonnensystems durch Akkretion entwickelten. Auf dem Planetesimal, aus dem Ryugu herausgesprengt wurde, könnte es reichlich Wasser gegeben haben, was eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben gewesen wäre.
Ein weiteres auffälliges Merkmal ist die Häufigkeit der in den Gesteinsproben enthaltenen chemischen Elemente: Ryugu ähnelt den kohlenstoffhaltigen CI-Chondriten des Meteoriten Ivuna, aber besonders stark ist die Ähnlichkeit mit der Zusammensetzung der Photosphäre der Sonne. Die Photosphäre ist die äußere Hülle eines Sterns, von der Licht in den Weltraum abgestrahlt wird, so dass man daraus seine chemische Zusammensetzung ableiten kann.
Die Analysen der Ryugu-Proben deuten außerdem darauf hin, dass der Asteroid von einem Planetesimal abstammt, das sich am äußersten Rand des Sonnensystems gebildet hat. Später wanderte Ryugu in das Innere des Sonnensystems und gelangte auf seine heutige erdnahe Umlaufbahn um die Sonne. In der aktuellen Forschung wird vermutet, dass Materialien, die am äußersten Rand des Sonnensystems entstanden sind, zur Entstehung der Erde beigetragen haben könnten. Kohlenstoffhaltige Materialien könnten eine wichtige Quelle für die so genannten flüchtigen Elemente auf der Erde gewesen sein. Flüchtige Elemente wie Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff sind wesentliche Bestandteile der Erdatmosphäre und der Ozeane und haben daher einen entscheidenden Anteil an der Entstehung des Lebens.

Das Bayerische Geoinstitut (BGI) auf dem Campus der Universität Bayreuth. Foto: UBT.
Auf der Suche nach Leben im Weltraum: in Zukunft auch an der Universität Bayreuth
Wenige Tage vor der Veröffentlichung des neuen „Science“-Artikels gab ein anderes internationales Forscherteam bekannt, dass in Gesteinsproben von Ryugu 20 verschiedene Aminosäuren nachgewiesen wurden. Aminosäuren sind die Bausteine des Lebens auf der Erde. „Es ist das erste Mal, dass Aminosäuren entdeckt wurden, die eindeutig nicht auf der Erde entstanden sind oder verändert wurden. Auch vor diesem Hintergrund ist der Asteroid Ryugu ein spannendes Forschungsobjekt, das aufschlussreiche Erkenntnisse über den Ursprung des Lebens verspricht. Deshalb wollen wir uns an der Universität Bayreuth in Zukunft verstärkt in die Analyse von extraterrestrischen Gesteinsproben einbringen“, sagt Prof. Dr. Audrey Bouvier. Gemeinsam mit Dr. Nobuyoshi Miyajima, Mineraloge am Bayerischen Geoinstitut, wird sie bei der japanischen Raumfahrtbehörde beantragen, dass Ryugu-Proben für weitere mineralogische und chemische Analysen an das BGI ausgeliehen werden. Im September 2022 werden am BGI neue Labore für Isotopengeochemie und Kosmochemie eröffnet. Hier sollen hochpräzise Isotopenstudien von Spurenmetallen in Ryugu- und anderen Planetenproben durchgeführt werden.
Voraussichtlich werden auch Proben von Marsgestein an der Universität Bayreuth untersucht werden, sei es in Form von Meteoriten oder von Proben, die von laufenden und zukünftigen Missionen zurückgebracht werden. Die National Aeronautics and Space Administration (NASA) und die European Space Agency (ESA) haben Prof. Dr. Audrey Bouvier kürzlich als Mitglied der Mars Sample Return Campaign Science Group ausgewählt. Dieses internationale Gremium plant derzeit die Rückführung von Gesteinsproben vom Mars. Es definiert die wissenschaftlichen Ziele der laufenden Probensammlung durch den Perseverance-Rover und entscheidet über die Konservierung und Verteilung der Proben für wissenschaftliche Analysen.
Über die Hayabusa2-Mission
Die Raumsonde Hayabusa2 startete am 3. Dezember 2014 und erforschte den Asteroiden Ryugu 17 Monate lang (Juni 2018 bis November 2019). Die Mission umfasste zwei Landeoperationen, um Proben des Asteroiden zu sammeln. Bei der zweiten Landung wurde durch den Abschuss eines 5-Gramm-Tantal-Projektils ein Krater erzeugt, so dass nicht nur Oberflächenmaterial, sondern auch Gesteinsproben aus tieferen Schichten gesammelt werden konnten. Die Probenkapsel wurde am 6. Dezember 2020 in Australien geborgen und unter strengen Quarantänebedingungen während der COVID-19-Pandemie nach Japan gebracht. Das internationale Team, das die Ryugu-Proben bisher analysiert hat, besteht aus insgesamt sechs Forschergruppen, die von Wissenschaftler*innen in Japan geleitet werden. Prof. Dr. Audrey Bouvier ist Mitglied der Arbeitsgruppe, die die in den Proben enthaltenen chemischen Elemente und ihre Isotope untersucht. Die Raumsonde Hayabusa2 ist unterdessen auf dem Weg zu einem anderen Asteroiden.
Veröffentlichung:
Tetsuya Yokoyama et al: Samples returned from the asteroid Ryugu are similar to Ivuna-type carbonaceous meteorites. Science 2022, DOI: https://dx.doi.org/10.1126/science.abn7850
Quelle: https://www.uni-bayreuth.de/pressemitteilung/Hayabusu2
Ist Astrobiologie als Wissenschaft ernst zu nehmen?
Anfangs hatte dieser Wissenschaftsbereich, in denen Aspekte aus der Physik, der Astronomie, der Biologie, der Chemie und auch der Geologie einfließen, einen nicht immer leichten Stand. Einige durchaus renommierte Forscher merkten beispielsweise an, dass die Astrobiologie eine Wissenschaft sei, die erst noch zeigen muss, dass ihr Forschungsobjekt überhaupt existiert. Die Astrobiologie beschäftigt sich nämlich mit der Frage des Lebens im Universum, mit seiner Entstehung und Verteilung.
Da man bis heute aber noch kein Leben auf anderen Planeten oder Monden entdeckt hat, bleibt vieles Spekulation. Auf der anderen Seite ist in den vergangenen Jahren deutlich geworden, dass es um unzählige Sterne Planeten gibt. Und auch auf der Erde hat man Leben an Orten entdeckt, von denen man vor wenigen Jahren nie vermutet hätte, dass es dort irgendeine Form von Leben geben kann.
Am Beispiel der Erde lässt sich auch erforschen, wie Leben entstanden sein könnte, welche Nachweismethoden es gibt und wie man am besten nach Leben auf anderen Welten sucht.
Inzwischen werden an angesehenen Hochschulen Astrobiologie-Vorlesungen angeboten und auch die NASA unterhält ein eigenes Institut für Astrobiologie. Entscheidend für die Beurteilung eines Wissenschaftsfeldes sollte zudem immer sein, ob es sich einer Fragestellung mit wissenschaftlicher Methodik widmet und die Forschungen nach den akzeptierten Standards betreibt oder ob es sich eher mit windigen Untersuchungen und Theorien beschäftigt. Die Astrobiologie – zumindest in der Form wie sie an Universitäten betrieben wird – gehört da zweifellos zur ersten Gruppe. (ds/25. Februar 2013)
Quelle: https://www.astronews.com/frag/antworten/3/frage3361.html
Toll diese grandiose Entdeckung. Ich freue mich für alle Astrobiologen und Menschen die sich dafür interessieren. Um so sehnsüchtiger wartet man auf die nächsten Proben von OsirisRex, nicht auszumalen wenn das noch ein zweites mal gelingt. Die Erwartungen sind jetzt noch grösser als ohne hin schon, schade das der momentane Rückflug von OsirisRex noch so lange dauert.
Hoffentlich wird Ryugu nicht der einzige Asteroid sein mit dieser grandiosen und spannenden Entdeckung, wenn kommende Proben von Asteroiden untersucht werden. Das James-Webb Teleskop nimmt in wenigen Wochen den Wissenschaftlichen Betrieb auf. Es wird eine tolle und spannende Zeit für die Astrobiologe.
Den Menschen schein die Tragweite dieser neuen Entdeckung noch nicht bewusst zu sein.
Christian Dauck