Die Nasa schickt ihre Mini-Raumsonde Capstone zum Mond. Dort soll sie nicht nur die Umlaufbahn der zukünftigen Lunar-Gateway-Raumstation testen.

Capstone ist unterwegs. Um 11:55 Uhr Mitteleuropäischer Zeit ist die Nasa-Sonde gestartet und auf den Weg zum Mond. Für die kleine Raumsonde Capstone ist es ein weiter Weg. Zwar sind die Erde und ihr Trabant im Mittel circa 384.400 Kilometer voneinander entfernt – dennoch wird Capstone etwa 1,5 Millionen Kilometer hinter sich legen, um den Mond zu erreichen. Gestartet wird sie mit einer nur 12,5 Tonnen schweren Electron, der kleinsten Rakete, die jemals für eine Mondmission verwendet wurde.
Was die großen Aufgaben für die kleine Raumsonde der US-Raumfahrtbehörde Nasa sind und warum die Mission ein Wegweiser ist, erzählt Elwood Agasid von der Nasa golem.de im Interview. Er ist der Programm-Manager für kleine Raumfahrzeug-Technologien (Small Spacecraft Technology Program) bei der Behörde und arbeitet mit seinem Team an Lösungen für zukünftige Mond- und Marsmissionen. Wobei der Fokus bei Capstone auf den bevorstehenden Artemis-Mondmissionen liegt.
„Bei dieser speziellen Mission wird es sich mehr oder weniger um einen Wegweiser für das Lunar Gateway handeln“, erzählt Agasid. Die Raumsonde ist gerade einmal so groß wie ein Mikrowellenherd – ohne Solarmodule sind das knapp 23 mal 23 Zentimeter im Grundmaß und 34 Zentimeter in der Höhe.
Ein ganz besonderer Orbit für Capstone und das Gateway
Nach ihrer Ankunft am Mond soll sie den Near-Rectilinear Halo Orbit (eine nahezu rechtwinklige Halo-Umlaufbahn, kurz NRHO) einnehmen. Diese Umlaufbahn steht von der Erde aus gesehen senkrecht zum Mond und wird mittlerweile nur noch Halo-Orbit genannt.
Auf dem NRHO begegnet die Raumsonde dem mondnächsten Punkt ungefähr alle sieben Tage. Durch dessen Gravitation wird sie auf eine Flugbahn gelenkt, auf der sie sieben Tage später erneut dem mondnächsten Punkt begegnet und wieder durch die Gravitation genau zur richtigen Stelle gelenkt wird. Von oben betrachtet sieht die Flugbahn deshalb fast wie ein Rechteck aus, dessen Ecken auf der Ellipse der Mondumlaufbahn liegen.
Laut dem Nasa-Experten befindet sich diese Umlaufbahn „an einer Art Lagrange-Punkt und nutzt die Schwerkraft der Erde und des Mondes, um diese Umlaufbahn zu halten.“ Dadurch benötigen Missionen wie Capstone oder später auch die fliegende Mondraumstation Lunar Gateway weniger Treibstoff – weil kleine Änderungen der Geschwindigkeit in der Nähe der Gleichgewichtspunkte zwischen der Schwerkraft von Erde und Mond schon einen großen Effekt auf die Flugbahn haben können.
Gateway, Capstone und die Halo-Umlaufbahn
Der mondnächste Punkt befindet sich mit einem Abstand von knapp 1.600 Kilometern über der Mondoberfläche an dessen Nordpol. „Die geringere Höhe ist ein guter Ort, um die Stationsbesatzung auf die Mondoberfläche zu bringen. Jeder Ab- und Aufstieg muss zeitlich abgestimmt werden“, so Agasid. Nach ungefähr einer Woche wird das Gateway wieder am Nordpol vorbeifliegen. Wenn Capstone den Südpol des Mondes passiert, wird die Raumsonde ungefähr 70.000 Kilometer von dessen Oberfläche entfernt sein.
„Dies ist ein optimaler Orbit für die Station, da das Gateway dort eine kontinuierliche Sicht für Kommunikationszwecke zur Erde hat“, sagt der Programm-Manager und erklärt: „Es handelt sich um eine sehr stabile Umlaufbahn, der schon seit geraumer Zeit untersucht wird. Alleine schon wegen der Treibstoffersparnis und der Tatsache, dass das Gateway für einige Zeit dort betrieben werden kann, ist es eine optimale Umlaufbahn.“
Capstone, dessen Akronym für Betrieb und Navigationsexperiment des autonomen cislunaren Ortungssystems (Cislunar Autonomous Positioning System Technology Operations and Navigation Experiment) steht, soll jedoch nicht nur diese stark-elliptische Umlaufbahn für das Gateway testen.
Capstone und der ballistische Mondtransfer
Um zur Halo-Umlaufbahn zu gelangen, wird Capstone circa vier bis fünf Monate benötigen. Im Gegensatz dazu wird das Orion-Raumschiff nur ungefähr fünf Tage brauchen. Jedoch soll Capstone einen ballistischen Mondtransfer durchführen und nicht auf dem direkten Weg zum Mond fliegen. „Es dauert zwar eine Weile, den Mond mit diesem ballistischen Mondtransfer zu erreichen. Dafür wird nicht so viel Treibstoff benötigt, weil das Raumfahrzeug die Schwerkraft der Sonne, der Erde und des Mondes nutzt.“
Beim ballistischen Einfangen handelt es sich um eine energiearme Methode für ein Raumfahrzeug, um eine Umlaufbahn um einen entfernten Planeten oder Mond zu erreichen. Statt direkt zum Mond zu fliegen, dort die Triebwerke zu zünden und schnell in den Mondorbit zu bremsen – ansonsten fliegt die Sonde vorbei -, müssen die Triebwerke von Capstone beim ballistischen Mondtransfer nur minimal beansprucht werden. Das Verfahren wurde 1991 erstmals von der japanischen Raumsonde Hiten demonstriert.
Viel Treibstoff kann Capstone mit einem Gesamtgewicht von circa 25 Kilogramm nicht mit sich führen. Nur ungefähr 20 Prozent davon, also ungefähr fünf Kilogramm, sind Treibstoff. In Zukunft sollen auch Frachter zum Lunar Gateway den ballistischen Mondtransfer nutzen, um mit wenig Treibstoffmengen in den Halo-Orbit zu gelangen.
Das Lunar Gateway: Der Wegweiser für Mondlandungen
Mit dem Lunar Gateway will die Nasa gemeinsam mit ihren Partnern, zu denen auch die europäische Raumfahrtbehörde Esa gehört, eine Raumstation in der Mondumlaufbahn platzieren – quasi eine Internationale Raumstation nur wesentlich kleiner. Während die ISS die Ausmaße eines Fußballfeldes umfasst, soll das Gateway nur ungefähr ein Drittel der Größe einnehmen.

Die ersten beiden Module der Mini-Raumstation Gateway sollen voraussichtlich Ende 2024 mit einer Falcon-Heavy-Trägerrakete vom privaten Raumfahrtunternehmen SpaceX in die Mondumlaufbahn gebracht werden. Dort soll aus Wohn- und Logistik-Modul Halo (Habitation and Logistics Outpost) und das Energie- und Antriebselement PPE (Power and Propulsion Element) zur Raumstation Lunar Gateway verbunden werden.
In Zukunft sollen Astronautinnen und Astronauten mit dem Orion-Raumschiff an das Gateway andocken und einen Zwischenstopp einlegen. Sobald das Gateway auf seiner siebentägigen Reise den mondnächsten Punkt erreicht, kann beispielsweise das Starship HLS (Human Landing System) Menschen auf die Mondoberfläche bringen. Somit ist das Gateway eine Art bewohnbare Bushaltestelle für Crew-Missionen zum Mond oder darüber hinaus.
Das Missionsziel von Capstone
Zurück zu Capstone: Nach dem Einschwenken in den Halo-Orbit soll das Raumfahrzeug Kontakt mit der Mondsonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) aufnehmen. Diese befindet sich bereits seit 2009 in der Mondumlaufbahn und hatte die Aufgabe, die gesamte Mondoberfläche zu kartieren.
Laut dem Nasa-Manager befindet sich an Bord von Capstone „einiges an Hardware und auch eine Software, die Cislunar Autonomous Positioning System genannt wird, und diese Technologie wird den bestehenden Lunar Reconnaissance Orbiter nutzen, um eine Querverbindung herzustellen.“ Um mit dieser Querverbindung die Entfernung zwischen den Raumsonden zu messen, soll ein Hochfrequenzsignal zwischen ihnen hin- und hergeschickt werden.
„Dann kann Capstone die Geschwindigkeit und das zurückgesendete Signal betrachten und damit seine Position relativ zum Lunar Reconnaissance Orbiter bestimmen.“ Das alles geschieht autonom und ohne eine Verbindung zur Erde. Momentan werden nämlich alle Missionen vom Boden aus gesteuert, sagt Agasid. Mit Capstone soll somit ein vom Boden unabhängiges Navigations- und Kommunikationsnetz getestet werden.
Die Hauptmission soll ungefähr sechs Monate andauern. Anschließend gibt es laut Agasid die Möglichkeit, die Raumsonde weitere zwölf Monate zu nutzen. „Wissenschaftler sagen gerne, je mehr Daten man erhält, desto besser sehen die Zahlen und Statistiken aus. Und das wäre unser zweites Ziel.“
Capstone steht zum Start bereit
Doch zunächst musste die Capstone-Mission vom neuseeländischen Raumhafen in Māhia Peninsula am Launch Complex 1 erfolgen. Das Startfenster öffnete sich am 13. Juni und hätte sich am 27. Juli wieder geschlossen. Das war auch nötig. Aber nach mehreren Verzögerungen gelang der Start der speziell für diese Mission modifizierten Elektron-Rakete.
„Sie verfügt über eine verlängerte Stufe namens Photon, die zusätzlichen Treibstoff mit sich führt“, so Agasid. Mit diesem zusätzlichen Treibstoff soll das Capstone-Raumschiff in eine Flugbahn gebracht werden, von der es zum Mond aufbrechen kann. „Etwa sechs bis sieben Tage nach dem Start wird die Capstone-Sonde von der Photon-Raketenstufe von Rocket Lab getrennt, um sein eigenes Antriebssystem zu zünden.“
Für das ballistische Einfangmanöver auf dem Weg zum Mond sollen die Triebwerke mehrmals zünden. Zuerst um die Geschwindigkeit der Raumsonde zu erhöhen und später, um leichte Korrekturmanöver durchzuführen.
Ob es nach dieser Mission weitere Capstone-Raumsonden geben wird, ist noch unklar. Das Lunar Gateway und die Frachtflüge zum Mond und der Raumstation sehen zumindest ähnlich aus. Und später soll am Mond und auch am Mars ein Kommunikations- und Navigationsnetzwerk errichtet werden. Die Frage ist nur: Wird zuerst ein amerikanisches oder chinesisches Satellitennetzwerk den Mond umkreisen?
Quelle: https://www.golem.de/news/nasa-capstone-kleine-raumsonde-grosse-mondmission-2206-165924.html
Hurra! Der Start von Capstone und der erfolgreiche Test von SLS am Pad, endlich läuft es mal gut für das Mond Projekt Artemis. Endlich geht es mal voran und nicht nur immer Lippenbekenntnisse (leere Versprechungen). Super!
Christian Dauck