
Super! Tolles Ergebnis von SPD und Grüne, hoffe auf ein Rot-Grünes Bündnis in Niedersachsen. FDP kann gerne rausgeworfen werden. Der CDU haben die Argumente mit Heizlüfter, Blackouts nicht viel genutzt. Rückenwind für SPD und Grüne im Bund – Super!
Christian Dauck
Erhält Ministerpräsident Weil eine dritte Amtszeit? Mehr als sechs Millionen Niedersachsen haben heute die Wahl. Entscheidend: die Themen, die Deutschland beschäftigen.
In diesen Zeiten allgemeiner Verunsicherung war sich in den letzten Wochen nur einer sicher, am Wahlsonntag in Niedersachsen als Gewinner dazustehen: Stefan Marzischweski, der Spitzenkandidat der AfD. Sein Wahlziel von zwölf Prozent für die Partei, die auch in Niedersachsen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, habe er ausgegeben, weil er „die Stimmung im Land kenne“.
Der Radiologe Marzischewski braucht keinen Röntgenblick für seine Vorhersage: Zukunftsängste und Unzufriedenheit treiben Menschen bundesweit zu der Rechtsaußen-Partei, die im letzten ZDF-Politbarometer auf zehn Prozent der niedersächsischen Wählerstimmen kommt – beinahe eine Verdoppelung zur letzten Landtagswahl im zweitgrößten Flächenland der Bundesrepublik.
An guter Politik in den letzten fünf Jahren kann es kaum liegen: Die AfD Niedersachsen geht selbst dem Bundesvorstand der Partei auf die Nerven, weil sie seit Jahren zerstritten ist, durch Austritt von Abgeordneten ihren Fraktionsstatus im Parlament in Hannover verloren hatte und derzeit auch mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihren stellvertretenden Landesvorsitzenden leben muss.
Energie, Preise, Sicherheit: Was Deutschland bewegt, bewegt auch Niedersachsen
Aber der Trend führt ein Eigenleben weit über Hannover hinaus bei dieser Landtagswahl, die diesmal nicht von lokalen Themen dominiert wird. Probleme bei der Unterrichtsversorgung, Umbau der Autoindustrie, schleppendes Tempo bei der Digitalisierung – all das spielte in den Wahlkampfwochen nur eine Nebenrolle.
Die politische Überschrift vom Harz über die Heide bis an die Nordsee ist der Dreiklang, der in Deutschland jeden bewegt: Energie, Preise, Sicherheit. CDU und FDP haben auf die letzten Meter noch eine Unterzeile dazu gesetzt, und sie teilen sie sich mit der AfD: Atomkraft, ja bitte!
Das niedersächsische Kernkraftwerk Emsland soll im Energiesicherungsspagat von Robert Habeck zum Jahresende wie geplant endgültig abgeschaltet werden, im Gegensatz zu den beiden süddeutschen noch laufenden AKW. Frei- und Christdemokraten glauben, hier die Achillesferse der Berliner Ampel ausgemacht zu haben. Sie kritisieren das Ende von Emsland als ideologische Entscheidung gegen jede Vernunft, nur um die Basis der Landes-Grünen nicht zu verprellen.
Atomtourismus im Wahlkampfendspurt
Der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann hatte für Samstag noch einen spontanen Auftritt am Atomkraftwerk auf seine Wahlkampfagenda gesetzt, zusammen mit dem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Sie waren bereits auf dem Weg dorthin, dann musste der Termin allerdings sehr kurzfristig abgesagt werden. Vorher hatte schon FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner dem Meiler in Lingen einen Besuch abgestattet.
Atomtourismus im Endspurt, so die Hoffnung, könnte mit einem eigentlich längst abgehakten Thema noch einmal Wählerschaften mobilisieren, denen Stromsicherheit um jeden Preis lieber ist, als dass die Ablehnung nuklearer und fossiler Energie die Bürger in der Krise womöglich teuer zu stehen kommt.
Schwarz-Grün durch Atomfrage vom Tisch?
Konservative und Freie Demokraten schüren zum Ende des Wahlkampfes die Angst, dass mit einer neuen rot-grünen Regierung in Hannover Realpolitik durch Blütenträume ersetzt werden könnte. Niedersachsens Grüne sind geprägt von linker und fundamentalistischer Tradition, die sich in die DNA des Landesverbandes geschrieben hat – auch durch jahrelangen Kampf gegen ein atomares Endlager im niedersächsischen Gorleben.
Mit der neuen Konfrontation in der Nuklearfrage ist damit aber vermutlich auch die Denkfigur einer schwarz-grünen Koalition vom Tisch, mit der sich mancher schon anzufreunden begann, als die Wahlforscher vor wenigen Wochen CDU und SPD beim Rennen um die stärkste Kraft noch Kopf an Kopf sahen.
Auch wenn die grüne Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg ein klitzekleines Hintertürchen formuliert, eine Art Katzenklappe Richtung CDU: „Natürlich haben wir mit der SPD mehr Schnittmengen. Aber am Ende entscheidet sich ein Bündnis an der Frage, wo mehr grüne Handschrift drin ist.“