
Die Klimaschutzinitiative »Runterfahren« hat für dieses Wochenende eine Warnblockade am Atomkraftwerk Isar II in der Nähe von Landshut angekündigt. Ziel sei es, so die Atomkraftgegnerinnen und -gegner, ein deutliches Zeichen gegen potentielle langfristige Laufzeitverlängerungen für die deutschen AKW zu setzen. Bislang soll den verbleibenden Meilern in der BRD zum 15. April endgültig der Stecker gezogen werden.
Bei der Aktion werde es sich nach Angaben der Initiative um die dritte Warnblockade dieser Art handeln, sie soll an diesem Freitag starten und bis zum Sonntag andauern. Im Januar hatten Anhänger der Initiative das AKW Lingen im niedersächsischen Emsland blockiert. Rund 30 Personen hatten sich vor das Zufahrtstor gesetzt und ein Transparent über die Einfahrt gespannt. Polizeikräfte waren bei der gewaltfreien Sitzblockade vor Ort, hielten sich aber zurück. Zuvor hatte die Initiative im November das AKW Neckarwestheim in Baden-Württemberg blockiert.
»Wir rechnen eigentlich nicht mit besonderen Repressalien«, sagte »Runterfahren«-Sprecherin Clara Tempel am Dienstag gegenüber junge Welt. »Bei den letzten drei Aktionen wurden nicht einmal Personalien aufgenommen.« Man sei sich der Möglichkeit jedoch durchaus bewusst. »Immerhin«, so Tempel, »ist unsere nächste Aktion in Bayern, wo die Polizei für ihre restriktive Linie bekannt ist«.
Auf der Internetseite von »Runterfahren« erklärten sich bereits mehr als 1.000 Menschen per Selbstverpflichtung dazu bereit, im Falle einer weiteren AKW-Laufzeitverlängerung am 15. April zur Aktionsform des zivilen Ungehorsams zu greifen. »Wer davon ausgeht, dass Laufzeitverlängerungen einfach so durchgewunken werden können, hat die Rechnung ohne die Anti-Atom-Bewegung gemacht«, stellte Tempel klar.
In einer Mitteilung vom Montag hatte »Runterfahren« darauf verwiesen, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Februar einen Weiterbetrieb hiesiger Atomkraftwerke über den 15. April hinaus gefordert hatte und die Unionsparteien einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht hatten.
Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/446270.atomkraft-stecker-sollen-gezogen-bleiben.html
Mogelpackung: Antrag zur Energieversorgung in Deutschland beraten mit den scheinheiligen Titel „Deutschlands Energieversorgung sichern und jetzt für den Winter 2023/2024 vorbereiten
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am Donnerstag, 9. Februar 2023, erstmals über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Deutschlands Energieversorgung sichern und jetzt für den Winter 2023/2024 vorbereiten“ (20/5543) beraten. Im Anschluss wurde die angekündigte Vorlage zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
Antrag der Union
Eine sichere und verlässliche Energieversorgung ist eine Frage nationaler und europäischer Sicherheit und Souveränität, schreibt die Unionsfraktion in ihrem Antrag. Darin fordern die Abgeordneten von CDU und CSU die Bundesregierung unter anderem dazu auf, die Übertragungsnetzbetreiber unverzüglich zu beauftragen, in einem Strom-Stresstest für den Winter 2023/2024 auch Berechnungen zur Umweltverträglichkeit, CO2-Neutralität und zur Preisentwicklung einzubeziehen – und die Ergebnisse noch im Februar 2023 vorzulegen; den Ausbau von Heimatenergien, wie Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie voranzutreiben und die EU-Notfallverordnung für den Ausbau der Erneuerbaren zügig umzusetzen.
Zudem fordern die Unionsabgeordneten die Berechtigung zum Leistungsbetrieb der drei Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis zum 31. Dezember 2024 zu verlängern. (mis/irs/09.02.2023)
Der Titel könnte ebenso heißen: Deutschland: Rückkehr ins Atomzeitalter – für eine sicherere Stromversorgung.
Der wäre zumindest ehrlich, stattdessen versucht man Bundestag und Bundesregierung mit einen wohlwollenden „Titel“ zu täuschen. Ich hab den den Antrag gelesen und da werden Rückschritte gefordert. Mit dem Antrag möchte die CDU/CSU-Fraktion was ganz anderes bezwecken, ein zurück ins Atomzeitalter.
Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw06-de-energievorsorgung-932706
Rede: Deutschlands Energieversorgung sichern
am 10. Februar 2023, 09:20 Uhr
Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2023
TOP 23: Deutschlands Energieversorgung sichern und jetzt für den Winter 2023/2024 vorbereiten, Antrag der CDU/CSU, Drucksache 20/5543
Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte ganz kurz auf meinen Vorredner, Herrn Spahn, eingehen. Denn ich fand es bemerkenswert – da muss ich Ihnen anerkennend beipflichten -, dass Sie bei den Fakten bleiben wollen. Sie wollen es. Deswegen haben Sie zuerkannt: Die Lage ist besser als gedacht. – Insofern sind Sie bei den Fakten geblieben. Sie hätten nur noch ehrlicher sein können und sagen können: Ja, die Lage ist sehr gut.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Nein! Sie ist weniger schlimm als befürchtet! Von „gut“ sind wir weit weg!)
Das hat der Monitoring-Bericht gerade gezeigt, der bei uns im Ausschuss erläutert wurde.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es wurde dabei auch festgestellt, dass selbst dann die Versorgungssicherheit gewährleistet wäre, wenn im Strombereich 10 Gigawatt Erzeugungsleistung weniger am Markt wären. So gut ist die Lage zurzeit.
(Dr. Götz Frömming (AfD): Um welchen Preis denn?)
Das wissen Sie auch; das haben Sie im Grunde genommen auch anerkannt. Aber Sie sind dann doch auf Ihren Antrag zurückgekommen und haben den Brückenschlag mit der leichten Ungenauigkeit gemacht, dass eben doch nicht alles so sauber sei. Sie müssen sich schon entscheiden: Ist es nun gut,
(Jens Spahn (CDU/CSU): Nein! Es ist nicht gut! Es ist weniger schlimm!)
oder ist es so, wie Sie es mit dem Antrag intendieren wollen? Bleiben Sie doch einfach bei den Fakten: Die Versorgungslage ist gut.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Alexander Graf Lambsdorff (FDP) – Jens Spahn (CDU/CSU): Weniger schlimm!)
Insofern möchte ich entschieden zurückweisen, dass man Ihren Vorschlägen gefolgt sei. Zum Glück sind wir vielen Ihrer Vorschläge nicht gefolgt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fragen Sie Herrn Merz! Der hat das vorgeschlagen damals!)
Zum Glück; denn – es ist hier schon vielfach erwähnt worden, und ich möchte nur noch mal daran erinnern, weil es in diese Debatte zwingend hineingehört – Ihr Fraktions- und Parteivorsitzender hat im März 2022 gefordert, Deutschland solle sofort den Import von Gas stoppen.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Das stimmt ja nicht! Es wird nicht richtiger dadurch, dass Sie es immer wieder sagen!)
Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn wir damals Ihrem Rat gefolgt wären.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir wissen ja alle, wie hinterher der Verlauf des Jahres war. Der Import ist von anderer Seite gestoppt worden. Wir waren bis dahin aber gut vorbereitet. Wir hatten bis dahin schon alles unter Hochdruck auf den Weg gebracht. Sie wissen genau, dass das sehr erfolgreich geschehen ist, auch dank eines unter Hochdruck arbeitenden Parlamentes. Wir alle können im Grunde genommen stolz darauf sein, dass das geschafft wurde.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Kruse (FDP) – Jens Spahn (CDU/CSU): Es geht um den nächsten Winter! Der nächste Winter, nicht der jetzige!)
Wir haben nämlich nicht nur für den Ersatz der Importmengen aus Russland gesorgt, der zu jeder Zeit verfügbar ist, sondern wir haben auch dafür gesorgt, dass der Hochlauf der erneuerbaren Energien jetzt endlich vorangeht. Das ist unerlässlich, und das fehlt zu weiten Teilen in Ihrem Antrag, auch wenn darin gute Punkte enthalten sind, an denen wir mit unseren Entschließungsanträgen aber schon arbeiten bzw. an denen wir mit vielen verabschiedeten Gesetzen schon gearbeitet haben.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Deswegen sind alle die Ausschreibungen unterboten!)
Den Hochlauf der erneuerbaren Energien haben wir in der Koalition mit Ihnen nicht leisten können, weil Sie das ständig ausgebremst haben. Wir haben das in der Ampelkoalition nun endlich in die Umsetzung gebracht
(Jens Spahn (CDU/CSU): Wir werden die Zahlen ja sehen!)
und haben viele Erleichterungen im Bereich der erneuerbaren Energien hinbekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Kruse (FDP))
Wir werden weitere Erleichterungen schaffen, die jetzt Stück für Stück umgesetzt werden und wirken können. Das Inkrafttreten beginnt jetzt gerade.
Wir haben zum Beispiel mit dem Booster im Energiesicherungsgesetz im Herbst eine stärkere Auslastung der Erneuerbaren-Energien-Anlagen erzielt. Wir haben auch erreicht, dass das Repowering leichter wird. Wir haben erreicht, dass die Ausschreibungen im Bereich der erneuerbaren Energien ausgeweitet werden. Wir haben Genehmigungshemmnisse abgeschafft. Wir haben schon eine Reihe von Maßnahmen erlassen und gesetzliche Änderungen vorgenommen – ich kann gar nicht alles aufzählen; dafür reicht die Redezeit nicht -, mit denen wir erreicht haben, dass der Hochlauf der erneuerbaren Energien nun anfängt.
In Verbindung mit weiteren Maßnahmen in der Sektorenkopplung werden wir dann auch den Umstieg auf erneuerbare Energien endlich hinbekommen. Das ist etwas ganz Wichtiges: Der Umstieg, der Transformationsprozess, wird mit unseren Maßnahmen ermöglicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich in Ihren Antrag schaue, stelle ich fest, dass er etwas Tückisches hat. Und das möchte ich für alle, die diesen Antrag jetzt nicht lesen wollen, noch mal darlegen. Er beginnt mit einer Prosa. Er fordert dann teilweise Dinge, die wir schon umgesetzt haben, teilweise Dinge, die mit unseren Entschließungsanträgen auf den Weg gebracht sind, teilweise Dinge, die EU-rechtlich gar nicht gehen, wie zum Beispiel die Bioenergie in Gänze von der Erlösabschöpfung auszunehmen.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Dann kämpfen Sie mal in Brüssel!)
Sie wissen genau, dass das nicht funktioniert. Wir haben das, was bei der Erlösabschöpfung zugunsten der Bioenergie auszunehmen ist, voll ausgenutzt. Sie wissen auch, dass wir das parlamentarisch auf den Weg gebracht haben.
Bei den weiter hinten stehenden Forderungen wird dann aber erkennbar, was Sie eigentlich im Schilde führen. Unter Energiesicherheit verstehen Sie im Kern nämlich doch nicht die Energiewende – das wird deutlich mit Ihrem Antrag -, sondern Sie verstehen darunter eigentlich eine Rückkehr zu den Fossilen und zur Atomenergie.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Wer lässt denn die Kohlekraftwerke laufen? Bei Ihnen laufen mehr Kohlekraftwerke denn je!)
Das ist das eigentliche Ansinnen Ihres Antrags. Und das ist auch das Unehrliche, da Sie immer voranstellen, dass Sie für die Erneuerbaren seien.
Das wird daran deutlich, dass im Unterschied zu den Maßnahmen, die wir als Ampel in Bezug auf Fossile beschlossen haben, die alle befristet sind – die Ersatzkraftwerke laufen für eine befristete Zeit -, bei Ihnen die Ermöglichungen in Richtung fossil/atomar nicht befristet angelegt sind. Sie wollen sogar die Innovationsausschreibungen auch für Fossile öffnen. Sie wollen zurück in die Atomenergie. Sie wollen eine Perpetuierung des fossil-atomaren Zeitalters. Nicht mit uns! Das ist das Gegenteil von Energiesicherheit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestags.
Quelle: https://www.nina-scheer.de/2023/02/10/rede-deutschlands-energieversorgung-sichern/