JUICE – Raumsonde auf 12-jähriger Mission: Ist Leben auf Jupiter–Monden möglich?

1,6 Milliarden Euro lässt sich die ESA eine Mission zu den Jupiter–Monden kosten. Was man sich davon erhofft und warum die Reise zum Ziel über acht Jahre lang dauert.

Die Raumsonde JUICE untersucht in einer zwölfjährigen Mission die Eismonde des Jupiter. Im Mittelpunkt steht die FRage, ob auf den Monden Leben möglich wäre. (Foto: Airbus)

Der italienische Astronom Galileo Galilei hat die großen Jupiter–Monde entdeckt und 1610 in der Schrift „Sidereus Nuncius“ erstmals beschrieben. Mit der von Airbus in Immenstaad gebauten Raumsonde Jupiter Icy Moons Explorer (Juice) unternimmt die Europäische Weltraumorganisation ESA jetzt eine Forschungsmission, um die drei Eismonde Europa, Ganymed und Callisto genauer zu untersuchen.

Zwölf Jahre dauert das 1,6 Milliarden Euro teure Unterfangen. Start ist am 13. April, dann soll Juice mit einer Ariane–5-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou (Französisch Guyana) ins All geschossen werden.

„Es geht darum, herauszufinden, ob es auf den Jupiter–Monden eine Umgebung gibt, die Leben ermöglichen würde“, sagt Rüdiger Hartwich, bei Airbus Leiter der Erdbeobachtungs– und Wissenschaftsprojekte. Bekannt sei bislang, dass es unter der harten Oberfläche der Monde Flüssigkeit gibt. Diese hat das Interesse der Wissenschaft vor allem geweckt.

Die beiden Jupiter–Monde Ganymed und Callisto sollen im Rahmen der Juice–Mission hauptsächlich untersucht werden. Auch über deren Atmosphäre will man Neues erfahren. Der dritte Mond Europa wird von einer speziellen NASA–Mission (Europa–Clipper), die kommendes Jahr startet, erforscht.

3,5 Tonnen Treibstoff

Bis die Untersuchungen beginnen, wird noch eine lange Zeit verstreichen: über acht Jahre ist Juice im All unterwegs, bis sie den Jupiter erreicht. Bei einem Leergewicht von rund zweieinhalb Tonnen hat die Raumsonde dazu noch 3,5 Tonnen Treibstoff an Bord.

Um zum Jupiter zu gelangen, unternimmt JUICE mehrere Flyby-Manöver. (Foto: Airbus)

Der würde jedoch mit der heutigen Raketentechnik niemals ausreichen, um direkt zum Jupiter zu fliegen. Möglich machen es sogenannte „Flyby–Manöver“.

„Man fliegt an den Planeten vorbei und nimmt ihnen ein bisschen der Bewegungsenergie“, sagt Markus Faust, der Chef der Juice–Mission bei Airbus in Immenstaad.

Sternenkonstellation muss passen

„Gravity Assist“ lautet der Fachbegriff für diese Methode, die Raumsonde holt also auf ihrer Reise mehrmals Schwung durch Schwerkraftumlenkung. Weil die Venus dafür besonders geeignet ist, fliegt JUICE (nach Umrundung von Mond und Erde) zunächst einmal in die „falsche“ Richtung weg vom Jupiter.

Nach dem Vorbeischwungmanöver an der Venus (2025) folgen zwei Runden um die Erde in verschiedenen Bahnen (2026 und 2029), bevor die Raumsonde die richtige Geschwindigkeit hat, um Kurs auf den Jupiter zu nehmen.

Um Juice auf diese Reise zu schicken, „muss die Sternenkonstellation genau passen“, sagt Faust. Das Startfenster reiche vom 13. noch bis zum 30. April.

Die Kontrolle der Mission haben die Wissenschaftler im Europäischen Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt (ESOC). Wenn sich nach dem Start bis etwa zum Herbst alle Antennen ausgeklappt haben und die Instrumente startklar sind, ist der Job für die Airbusingenieure erledigt. Sie stehen aber bereit, falls es Probleme mit dem Satelliten gibt.

Antenne schaut Kilometer weit in die Erde

Die Juice–Raumsonde hat zehn hochmoderne wissenschaftliche Instrumente aus aller Welt an Bord. Darunter ist eine 16 Meter breite RIME–Antenne, die vom Immenstaader Unternehmen SpaceTech gebaut wurde.

Mit einem niederfrequenten Radar soll die Zusammensetzung der Oberflächen der Monde laut Airbus bis zu einer Tiefe von neun Kilometern untersucht werden. Die Daten, die Juice beim Umfliegen der Monde sammelt, erreichen das Kontrollzentrum in Darmstadt innerhalb von etwa 50 Minuten.

Die Raumsonde JUICE soll drei Jahre lang die drei Jupiter-Monde Ganymed, Callisto und Europa untersuchen. Der Satellit wurde im Reinraum von Airbus in Immenstaad integriert. (Foto: Airbus)

Insgesamt dauert die wissenschaftliche Phase von JUICE etwa drei Jahre, dann stürzt die Raumsonde kontrolliert auf den Ganymed–Mond ab.

Größtes Solarpanel

Eine besondere Herausforderung stellt bei der Mission die Energieversorgung dar. Am Jupiter hat es laut Airbus bis zu minus 230 Grad Celsius, die Sonnenintensität ist extrem niedrig und die Strahlenbelastung sehr hoch.

Die Juice–Raumsonde hat deshalb das größte Solarpanel an Bord, das jemals bei einer interplanetaren Mission im Einsatz war. Es hat ausgeklappt eine Spannweite von 27 Metern. Speziell entwickelte Solarzellen kommen von der Firma Azur bei Heilbronn. „Auf 85 Quadratmetern Fläche gewinnen wir nur 800 Watt Leistung“, sagt Faust.

Die JUICE-Raumsonde ist mit dem größten Solarpanel ausgestattet, das je für einen interplanetare Mission verwendet wurde. (Foto: JB Accariez/Airbus)

Damit könne man gerade mal einen Toaster betreiben. In Zusammenarbeit mit einer Batterie müssen damit die Sonde beheizt und die Instrumente betrieben werden.

100 Mitarbeiter im Einsatz

Seit 2014 arbeiteten bis zu 100 Ingenieure und Techniker in Immenstaad an Entwicklung und Bau von Juice. Etwa ein Jahr dauerte alleine die Integration, also das Zusammenbauen der Raumsonde im Integrated Technology Center (ITC), dem größten und modernsten Reinraum Europas.

Insgesamt rund 100 Ingenieure und Techniker haben an der JUICE-Raumsonde bei Airbus in Immenstaad geschraubt (Foto: Airbus)

Insgesamt 1,6 Milliarden Euro lässt sich die ESA die komplette rund 12–jährige Mission kosten, rund 600 Millionen Euro gehen laut Airbus an die Industriebetriebe, die Juice unter Federführung von Airbus Defence & Space hergestellt haben. Weitere 200 bis 300 Millionen Euro kosten die Instrumente.

Außerordentliche Teamleistung

Dass man trotz Corona und Problemen mit Lieferketten den Fertigstellungstermin nur um knapp ein Jahr verpasst hat, verdanke man einer „außerordentlichen Teamleistung“ sagt Hartwich, gerade bei der Komplexität der Mission.

Der Start war ursprünglich für August 2022 geplant. In Erinnerung an „Sidereus Nuncius“ wurde auf die Juice–Raumsonde eine Plakette mit dem lateinischen Originaldokument aufgelasert. Galileo Galilei wäre sicher begeistert von dieser Mission.

Quelle: https://www.schwaebische.de/regional/bodensee/immenstaad/raumsonde-auf-12jaerhiger-mission-ist-leben-auf-den-jupiter-monden-moeglich-1524153


Reise zum Jupiter – JUICE und die Beteiligung Deutschlands/JUICE fliegt zu den Monden des Jupiter – spektakuläre ESA Mission wird nach Spuren von Leben suchen

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Jupiter-Monde: „Es ist wahrscheinlicher, in einem unterirdischen Ozean Leben zu finden als auf dem Mars“

„Juice“ wird laut dem Forscher Norbert Krupp nicht nur einige Premieren im Sonnensystem erleben. Die Esa-Sonde soll auch die ozeanhaltigen Jupiter-Monde nach Leben absuchen.

Herr Krupp, Sie sind führend an der „Juice“-Mission beteiligt. Was ist aus Ihrer Sicht der spannendste Aspekt?
Wir werden mit der Sonde erstmals in einen Orbit um einen Mond im äußeren Sonnensystem einschwenken, nämlich Ganymed. Zuvor wird es Vorbeiflüge an Europa, Ganymed und Kallisto geben. Mit den Instrumenten an Bord können wir viele wissenschaftliche Themengebiete studieren, von der Oberfläche bis zu den inneren Ozeanen und die Umgebung dieser Monde. Das erfolgt im Zusammenhang mit dem Gesamtsystem Jupiter, das im Grunde ein kleines Sonnensystem für sich ist.

Welcher dieser Monde verspricht besonders wertvolle Daten, vielleicht auch Überraschungen?
Die wird es sicher bei jedem Mond geben. Ganymed ist hervorzuheben, weil es einerseits der größte Mond in Sonnensystem ist, größer übrigens als der Planet Merkur. Er ist zudem der einzige Mond mit einem eigenen Magnetfeld, das sich mit dem des Jupiters überlagert. Das wird echt spannend. Die drei Monde haben unterirdische Ozeane, über die wir mehr herausfinden wollen: wie tief sind sie, wie dick die Eiskruste, lässt sich etwas über Salzgehalt und Strömungen ermitteln und so weiter.

Die verborgenen Ozeane werden als mögliche Lebensräume betrachtet. Was bräuchte es dafür?
Damit Leben existieren kann, müssen mindestens vier wichtige Punkte erfüllt sein. Es braucht flüssiges Wasser und eine stabile Umgebung, das heißt keine starke Strahlung und solche Dinge. Drittens ist eine Energiequelle nötig, das wäre in so einem Ozean chemische Energie aus Reaktionen am Grund.

Hinzu kommen bestimmte Elemente und Moleküle, die auch als „Bausteine des Lebens“ bezeichnet werden. Speziell Europa als auch Ganymed und Kallisto haben in ihren Ozeanen gute Voraussetzungen dafür und unsere Sonde wird weitere Daten liefern, um zumindest theoretisch die Wahrscheinlichkeit für Leben genauer zu ermitteln.

Den Beweis wird diese Mission aber nicht führen.
Nein, man müsste vor Ort nachsehen. Ideen dazu gibt es bereits: Eine Sonde, die sich durch das Eis schmilzt und wie ein kleines U-Boot den Ozean durchquert und Proben analysiert. Falls überhaupt, wird es aber lediglich primitive Organismen geben. Grundsätzlich denke ich aber, dass es wahrscheinlicher ist, in einem unterirdischen Ozean Leben zu finden als etwa auf dem Mars.

Das dürfte noch lange dauern. Bereits Juice braucht acht Jahre, ehe sie mit der Forschung überhaupt beginnt. Wie hält man über so eine lange Zeit die Expertise?
Das ist wirklich ein Problem bei Raumfahrtmissionen, wo vom ersten Bleistiftstrich bis zum Ende der Messungen schnell 25, 30 Jahre vergehen. Und dann geht die wissenschaftliche Arbeit ja eigentlich erst richtig los. Viele in unserem Team werden dann im Ruhestand sein. Wir haben zwar die Möglichkeit, weiterhin zu forschen, mit den Daten, die dann kommen, aber das sollte nicht die Regel sein. Daher wird das Team schon jetzt verjüngt, um die Mission gut fortzuführen.

Sie haben eine besondere Beziehung zu Juice, der Missionsname stammt von Ihnen. Wie sind Sie darauf gekommen?
Das Projekt hat eine bewegte Geschichte, mal wurde mit den Amerikanern geplant, mal ohne. Da gab es immer auch vorläufige Namen. Die Esa wollte schließlich einen neuen Namen haben, in dem „Jupiter“ vorkommt. Wir vom Science Definition Team haben in einer Hotelbar nahe des Esa-Technologiezentrums in Noordwijk / Niederlande gesessen. Nach ein, zwei Gin Tonic hatten wir eine Liste mit Vorschlägen, darunter „Juice – Jupiter Icy Moons Explorer“. Fragen Sie mich nicht, wie ich darauf gekommen bin, irgendeine Eingebung. Aber der ist es am Ende geworden.

Wo werden Sie den Start erleben?
Ich werde nicht vor Ort im Raumfahrtzentrum Kourou sein, sondern bei uns am Institut in Göttingen. Wir machen eine öffentliche Startveranstaltung mit Livestream und Podiumsdiskussion, um über die Mission zu informieren. Ich finde es wichtig, dass wir unseren Steuerzahlern hier in Deutschland dadurch etwas zurückgeben und vermitteln, was wir Tolles machen können. Nach einem hoffentlich erfolgreichen Start werden wir dann eine Saftbar eröffnen und auf den Erfolg von „Juice“ anstoßen.

Norbert Krupp ist Planetenwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und führend an der Mission „Juice“ beteiligt.

Quelle:  https://www.tagesspiegel.de/wissen/jupiter-monde-es-ist-wahrscheinlicher-in-einem-unterirdischen-ozean-leben-zu-finden-als-auf-dem-mars-9616925.html