Wie schnell die Zeit vergeht, da war doch noch was im Juni. Das EU-Innenministerinnen und -minister treffen zu den EU-ReformplĂ€ne im Asylverfahren (Asylverfahren an der EU-AuĂengrenze)

Was wohl beim EU-Innenministerinnen und -minister treffe rauskommt. Die unterschiedlichen Aussagen und die sich mehrmals verĂ€nderten Positionen bzw. aussagen von Politikern sind wie eine art Nebel. Man erlebt das auch beim jetzigen EU-Gesetzgebungsverfahren bei der Kinderpornografie. Es bleibt immer ein hauch von „Nebel des Krieges“ ĂŒber die EU-Verfahren und EU-Gesetzgebung unter dem sich Politiker versuchen zu einigen (mit tarnen, tĂ€uschen, Stellung halten, Position wechseln) und sich gleichzeitig vor der Ăffentlichkeit und den Pro und Contra Parteien nicht so wirklich bei ihren SchachzĂŒgen/Schachspiel in die karten schauen lassen wollen.
Vielleicht lichtet sich der Nebel nach dem EU-Innenministerinnen und -minister treffen ein wenig. Diese treffen/Termine finde ich sind wichtige Meilensteine im EU-Verfahren.
Ja zu den EU-ReformplĂ€nen/Asylverfahren an der EU-AuĂengrenze. Ja zum Asylkompromiss
EuropĂ€isches Asylsystem / Deutschlands groĂer Asylplan
Von einem âhistorischen Momentumâ in der Asylpolitik spricht Bundesinnenministerin. Was Nancy Faeser damit meint â und was sich gerade wirklich tut.
Es war einmal ein Innenminister mit einem Masterplan â und das ging nicht gut aus. 2018 hatte sich die groĂe Koalition gerade so zur Bundesregierung zusammengerafft, da drohte Horst Seehofer sie mit seinem 63-Punkte-Plan zur Asylpolitik schon wieder zu sprengen. Die Koalition ĂŒberlebte dann zwar doch, doch wie man in Deutschland und der EU mit GeflĂŒchteten dauerhaft umgehen will, ist bis heute nicht geklĂ€rt.
Jetzt will es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wieder versuchen. Sie hat sich das âGemeinsame EuropĂ€ische Asylsystemâ (GEAS) vorgenommen. Das GEAS ist die Grundlage fĂŒr eine einheitliche EU-Asylpolitik. Sie regelt, wie mit Asylsuchenden umzugehen ist und wie die Verfahren aussehen, die entscheiden, wer bleiben darf. Das Problem mit dem GEAS ist allerdings: Es funktioniert nicht. Seit Jahren gibt es den Plan, das System zu reformieren. Geklappt hat es nie.
Das âJetzt oder nieâ-GefĂŒhl
Doch Ende April klang es plötzlich so, als könnte sich etwas bewegen. Da zeigte sich Nancy Faeser ĂŒberraschend optimistisch â und sprach sogar von einem âhistorischen Momentumâ fĂŒr die Asylpolitik. Das klingt, als könnte es ernst werden mit der GEAS-Reform. Aber ist das so? Und was hat Faeser vor?
Um zu verstehen, warum die Innenministerin das Projekt gerade jetzt vorantreibt, muss man sich zwei Termine vor Augen fĂŒhren: das Treffen der EU-Innenministerinnen und -Innenminister am 8. Juni dieses Jahres â und die Wahl des EuropĂ€ischen Parlaments ziemlich genau ein Jahr spĂ€ter. Damit die GEAS-Reform zeitnah umgesetzt werden kann, muss sie im kommenden Jahr beschlossen werden â bevor das Parlament neu gewĂ€hlt wird. Und ob das noch klappt, entscheidet sich bei dem Ratstreffen am 8. Juni. SpĂ€testens dann mĂŒssten sich die Innenministerinnen und Innenminister einig werden.
Zeitdruck macht produktiv
Dieser Zeitdruck ist fĂŒr die Reform nicht unbedingt ein Nachteil. Das âJetzt oder nieâ-GefĂŒhl trĂ€gt wesentlich zu dem âMomentumâ bei, das Faeser beschworen hat. Wie das eben ist mit knappen Deadlines: Sie sind ein ziemlich effektiver Anreiz, um produktiv zu arbeiten. âWenn das GEAS nicht kommt und damit eine verlĂ€ssliche Registrierung und Erfassung an den AuĂengrenzen, dann ist der Schengen-Raum mit offenen Binnengrenzen in groĂer Gefahrâ, sagte Nancy Faeser â und erhöhte damit abermals den Druck.
Auf Ebene der Bundesregierung scheint das bereits geklappt zu haben. Dass Faeser seit Ende April so optimistisch auftritt, liegt vor allem daran, dass ihr gelungen ist, woran Seehofer damals scheiterte: die deutsche Regierung hinter einer Position zu vereinen, die auf EU-Ebene gute Chancen hat.
Diese deutsche Position orientiert sich stark an den VorschlĂ€gen der EU-Kommission. Deren Asyl- und Migrationspaket liegt seit fast drei Jahren vor. Ein wesentlicher Punkt darin: Jeder, der sich um Asyl in der EU bewerben will, wird schon an der AuĂengrenze in einem sogenannten Screening-Verfahren registriert. Wer aus einem Land kommt, aus dem nur wenige SchutzantrĂ€ge bewilligt werden, durchlĂ€uft ein beschleunigtes Asylverfahren â und darf im Fall einer Ablehnung gar nicht erst einreisen.
Streit um die Verteilung
Einer der gröĂten Streitpunkte der Reform ist der sogenannte SolidaritĂ€tsmechanismus â also die Frage, wie die GeflĂŒchteten auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Das regelt bislang die Dublin-Verordnung, die Teil des GEAS ist. Sie sieht vor, dass GeflĂŒchtete in dem EU-Staat Asyl beantragen mĂŒssen, den sie zuerst betreten haben. Das sind vor allem die Mittelmeerstaaten wie Italien oder Griechenland â die die Regel deshalb als so ungerecht empfinden, dass sie sich darĂŒber hinwegsetzen.
Doch alle Versuche, die Verteilungsfrage anders zu regeln, sind bisher gescheitert. Einer neuen Ordnung mĂŒssten auch Staaten wie Ungarn zustimmen, die sich bislang dagegen sperren. Aktuell gibt es schlicht keine funktionierenden Regeln. Und so verteilen sich die GeflĂŒchteten meist auf die LĂ€nder, in denen sie am ehesten auf ein vergleichsweise faires Asylverfahren hoffen können. Dazu gehört beispielsweise auch Deutschland.
Deutschland macht ZugestÀndnisse
Bereit zu ZugestÀndnissen
Das dĂŒrfte einer der GrĂŒnde sein, weshalb Faeser die Reform so stark vorantreibt â und bereit ist, ZugestĂ€ndnisse zu machen. In einem PrioritĂ€tenpapier des Bundesinnenministeriums heiĂt es, dass die Zustimmung Deutschlands zur GEAS-Reform nicht davon abhĂ€nge, sich mit allen Punkten durchzusetzen, sondern dass âam Ende die Gesamtbalance stimmen mussâ.
Es sind ohnehin nur wenige Stellen in der deutschen Position, die von den EU-VorschlĂ€gen abweichen. Ein Streitpunkt ist die Altersgrenze, die eine Ausnahmeregelung fĂŒr Familien mit Kindern festlegt. Ihnen soll immer ein regulĂ€res Asylverfahren zustehen â auch wenn sie aus LĂ€ndern kommen, aus dem sonst nur wenige AntrĂ€ge bewilligt werden. Geht es nach der EU, soll die Ausnahme fĂŒr Familien mit Kindern bis zwölf Jahren gelten. Deutschland will die Altersgrenze auf 18 Jahre hochsetzen. Damit steht es unter den Mitgliedstaaten ziemlich allein da â und dĂŒrfte es schwer haben, sich durchzusetzen.
Dass Deutschland zu so vielen ZugestĂ€ndnissen bereit ist, löst auch Kritik aus. So schlossen sich mehr als 50 Organisationen zu einem gemeinsamen Statement gegen die deutsche Position zusammen, darunter die Caritas oder Brot fĂŒr die Welt. Auch in der GrĂŒnen-Bundestagsfraktion ist der Ărger unter einigen Abgeordneten groĂ.
Noch ist nicht klar, ob sich die EU-Innenministerinnen und -Innenminister am 8. Juni einigen können. Dass in Spanien und Griechenland gerade Neuwahlen geplant werden, macht die Verhandlungen schwieriger. Trotzdem sagen viele, die sich mit dem Thema befassen: Es ist zwar sehr unsicher, ob die Reform gelingt, aber es ist wahrscheinlicher denn je.
„Dass wir in der EU seit Jahren keine funktionierende gemeinsame Asylpolitik haben, ist Europas offene Wunde“
Vor dem Treffen der EU-Innenministerinnen und -minister in Luxemburg zeigt sich Annalena Baerbock offen fĂŒr Asyl-VorprĂŒfungen an den EU-AuĂengrenzen. Allerdings mĂŒssten die Menschenrechtsstandards gewahrt werden.
AuĂenministerin Annalena Baerbock hat sich offen gezeigt fĂŒr Asyl-VorprĂŒfungen an den EU-AuĂengrenzen, pocht jedoch auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards. Asylverfahren an den AuĂengrenzen seien „Fluch und Chance zugleich“, sagte die GrĂŒnen-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Grenzverfahren sind hochproblematisch, weil sie in Freiheitsrechte eingreifen“, so Baerbock. Aber der Vorschlag der EU-Kommission sei die einzige realistische Chance, in einer EU von 27 sehr unterschiedlichen Staaten auf absehbare Zeit ĂŒberhaupt zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen.
„Deshalb verhandeln wir in BrĂŒssel hart, um sicherzustellen, dass niemand lĂ€nger als einige Wochen im Grenzverfahren stecken bleibt, dass Familien mit Kindern nicht ins Grenzverfahren kommen, dass das Recht auf Asyl im Kern nicht ausgehöhlt wird.“ Auf die Frage, ob ihre Partei da mitziehe, sagte Baerbock: „Das hĂ€ngt davon ab, ob unsere europĂ€ischen Menschenrechtsstandards gewahrt werden.“ Der Grat sei sehr schmal, kritische Fragen seien wichtig.
Am 8. Juni wollen sich die EU-Innenministerinnen und -minister in erneut mit dem Thema beschÀftigen
„Aber auch ein Nichthandeln hĂ€tte bittere Konsequenzen“, mahnte Baerbock. Ohne eine gemeinsame europĂ€ische Antwort gehe der Trend schon jetzt ĂŒberall zu „mehr Abschottung, mehr Pushbacks, mehr ZĂ€unen“. Und ohne Ordnung an den AuĂengrenzen sei es nur eine Frage der Zeit, bis ein EU-Land nach dem anderen wieder ĂŒber Binnengrenzkontrollen rede.
Baerbock betonte: „Dass wir in der EU seit Jahren keine funktionierende gemeinsame Asylpolitik haben, ist Europas offene Wunde.“ Jetzt gebe es zum ersten Mal seit 2015 einen Kompromissvorschlag der EU-Kommission, der eine echte Chance habe, die sehr unterschiedlichen Anliegen in der EU zusammenzubringen. „Dazu gehören drei Elemente: Alle FlĂŒchtlinge werden an der Grenze registriert. Alle EU-Staaten verpflichten sich auf einen verbindlichen SolidaritĂ€tsmechanismus. Und es werden nur FlĂŒchtlinge verteilt, die auch eine Bleibeperspektive in Europa haben.“
Am 8. Juni wollen sich die EU-Innenministerinnen und -minister in Luxemburg erneut mit dem Thema beschĂ€ftigen. Die EU-Staaten versuchen derzeit mit Hochdruck, sich auf GrundzĂŒge einer Reform des europĂ€ischen Asylsystems zu einigen, um die seit Jahren heftig gerungen wird. Strittig ist insbesondere die Frage, ob es VorprĂŒfungen von AsylantrĂ€gen schon an den europĂ€ischen AuĂengrenzen geben soll, und eine mögliche Verteilung GeflĂŒchteter in Europa. Es steht im Raum, direkt nach der Registrierung in AuĂengrenzstaaten zu prĂŒfen, ob jemand Aussicht auf Schutz hat oder nicht. Hintergrund sind VorschlĂ€ge der EU-Kommission von 2020.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich Anfang des Monats fĂŒr eine Asyl-VorprĂŒfung an den AuĂengrenzen ausgesprochen.
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/baerbock-eu-migration-grenzen-asylpruefungen-1.5897814
FDP-Fraktionschef DĂŒrr will auch MinderjĂ€hrige in Asylzentren festhalten lassen
Um den Zustrom von Migranten kontrollieren zu können, soll es Asylzentren an den EU-AuĂengrenzen geben. FDP-Bundestagsfraktionschef Christian DĂŒrr fordert, dass auch MinderjĂ€hrige dort Schnellverfahren durchlaufen â und hofft auf eine rasche Einigung.
FDP-Fraktionschef Christian DĂŒrr hat sich dafĂŒr ausgesprochen, in den geplanten Asylzentren an den EU-AuĂengrenzen auch MinderjĂ€hrige festzuhalten, bis ihre AntrĂ€ge geprĂŒft sind. Er habe âVerstĂ€ndnis fĂŒr die französische Position, auch MinderjĂ€hrige in den Asylzentren Schnellverfahren durchlaufen zu lassenâ, sagte DĂŒrr der âNeuen OsnabrĂŒcker Zeitungâ. Notwendig seien einheitliche Regeln, âund diese können auch fĂŒr unter 18-JĂ€hrige geltenâ.
Die geplante Einrichtung von Asylzentren fĂŒr Schnellverfahren an den EU-AuĂengrenzen bezeichnete DĂŒrr als âeine Zeitenwendeâ. Zugleich plĂ€dierte er fĂŒr einen stĂ€rkeren Schutz der deutschen Grenzen, solange dies an den EU-AuĂengrenzen noch nicht hinreichend gelinge. Er hoffe dabei auf eine rasche und vernĂŒnftige Einigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit ihren Kollegen in den betroffenen BundeslĂ€ndern.
Seit der FlĂŒchtlingskrise von 2015 gibt es schon Grenzkontrollen zu Ăsterreich, um aus Nachbarstaaten die Weiterreise von Migranten nach Deutschland zu verhindern. Der Bund hatte beim FlĂŒchtlingsgipfel am 10. Mai mit den LĂ€ndern zugesagt, dies âlageabhĂ€ngigâ auch bei anderen NachbarlĂ€ndern einzufĂŒhren.